Kündigungsgesetz soll absichtlich im Landtag scheitern

Stuttgart. Die grün-rote Landesregierung will mit einem Kündigungsgesetz das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 ausbremsen. Das Land plane damit, seine zugesagten Zuschüsse für den 4,1 Milliarden Euro teuren Umbau des Stuttgarter Hauptbahnhofs zurückzuziehen, sagte der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) gestern in Stuttgart. Dem Gesetzentwurf hätten im Kabinett alle Grünen-Minister sowie Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) zugestimmt.

Weil damit zu rechnen sei, dass das Gesetz im Landtag keine Mehrheit finden werde, solle die Bevölkerung in einer Volksabstimmung darüber entscheiden. Dies werde voraussichtlich im November geschehen. Beide Koalitionspartner hatten sich auf diesen Weg geeinigt, da die Grünen gegen das Projekt, die Sozialdemokraten aber mehrheitlich dafür sind. Als Begründung führt die Regierung vor allem Kostenrisiken und die fehlende Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs an.

Die Opposition sieht Grün-Rot auf dem Holzweg: "Es gibt gar keine Kündigungsklausel", sagte CDU-Fraktionschef Peter Hauk. Finanzminister und SPD-Landeschef Nils Schmid widersprach der Kritik der Opposition, die Regierung trickse: "Die Volksabstimmung setzt voraus, dass es in der Regierung einen inhaltlichen Konflikt gibt." Das spiegele das Stimmverhalten im Kabinett wider. Auch Kretschmann hält das Vorgehen für angemessen: "Ich fühle mich dabei pudelwohl."

Einer möglichen Klage von CDU und FDP gegen das Gesetz sieht Kretschmann gelassen entgegen: "Es ist eindeutig mit der Landesverfassung vereinbar." Stickelberger erklärte aber auch: "Mit dem S-21-Kündigungsgesetz betreten wir verfassungsrechtliches Neuland." Das Gesetz bezieht sich nur auf den Tiefbahnhof und dessen Anbindung an die geplante ICE-Trasse nach Ulm. "Die Realisierung der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm ist unstrittig und nicht Gegenstand dieses Gesetzes", heißt es in dem Entwurf. Zwist besteht zwischen den Koalitionspartnern darüber, in welcher Form bei dem Volksentscheid die Höhe der Ausstiegskosten eine Rolle spielen soll. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sprach von einem Korridor, den man nennen könne, da die Schätzungen stark voneinander abwichen. Dagegen sagte Schmid: "Die Bürger müssen wissen, dass bei einem Ausstieg mindestens eine Milliarde Euro an Schadenersatz anfällt." Die Grünen verweisen darauf, dass es auch nur rund die Hälfte sein könnte.

Nach einer gescheiterten Verfassungsänderung müssen 2,6 Millionen Wahlberechtigte zur Abstimmung kommen. Die Volksabstimmung hatte die SPD in ihrem Wahlprogramm versprochen. Hermann warnte die Bahn, bis dahin nicht zu viele Fakten zu schaffen. Das Projekt habe schon mehrfach auf der Kippe gestanden und habe nur durch die Geldzusage des Landes überhaupt begonnen werden können. Nach der Beratung über den Belastungstest am Freitag will die Bahn noch Bauaufträge für zwei Tunnel in Höhe von 750 Millionen Euro vergeben. Das Projekt soll bis Ende 2019 realisiert werden. Gegen Stuttgart 21 protestieren Bürger seit mehreren Jahren.