Wirtschaftsvertreter fordern zu Beginn des St. Petersburger Dialogs niedrigere Handelshürden

Hamburg. Zum Auftakt der 13. deutsch-russischen Regierungskonsultationen sind gestern Abend Bundeskanzlerin Angela Merkel und der russische Präsident Dmitri Medwedew in Hannover zusammengetroffen. Im Mittelpunkt des sogenannten St. Petersburger Dialogs sollen dabei die Wirtschaftsbeziehungen sowie die innenpolitische Lage in Russland vor den Wahlen im kommenden Jahr stehen.

Visumpflicht auf deutscher und eine Registrierungspflicht auf russischer Seite belasteten die Wirtschaft immens, sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Metro-Chef Eckhard Cordes anlässlich der Konferenz. Spätestens zur Fußball-WM 2018 in Russland sollte die beiderseitige Visumfreiheit Realität sein, forderte Cordes. Trotz dieser Hindernisse stehe der Handel mit Russland 2011 aber vor einem Rekordjahr. Für 2011 rechnet der Ost-Ausschuss mit einem bilateralen Handelsvolumen von 70 Milliarden Euro.

Fritz Horst Melsheimer, Präses der Handelskammer Hamburg, unterstrich im Abendblatt die Bedeutung des Dialogs. Das Treffen stärke das Vertrauen zwischen den beiden Staaten, "was letztlich auch der Hamburger Wirtschaft zugutekommt, die traditionell sehr enge Beziehungen insbesondere zu Nordwestrussland und dem russischen Ostseeraum pflegt". Trotz mancher Schwierigkeiten, wie etwa der mangelnden Rechtssicherheit, sei Russland ein riesiger und durchaus kaufkräftiger Markt. "Deswegen erschließen Hamburger Unternehmen - auch aus neuen Branchen, wie beispielsweise der Gesundheitswirtschaft - zunehmend die östlichen Landesteile." Nach Angaben der Handelskammer ist Russland für Hamburg der sechswichtigste Handelspartner weltweit. Knapp 620 Hamburger Firmen hätten russische Handelspartner. So wurden im vergangenen Jahr aus Hamburg Güter im Wert von 490 Millionen Euro in Richtung Moskau exportiert und für 2,01 Milliarden Euro importiert.

Der Wirbel um die abgesagte Vergabe des deutschen Quadriga-Preises an den russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin soll das Verhältnis nicht belasten. Die Bundesregierung sehe keine Auswirkungen auf die deutsch-russischen Beziehungen, versicherte Regierungssprecher Steffen Seibert gestern. Das Preis-Kuratorium war laut "Süddeutscher Zeitung" mit der Absage der Preisverleihung einem Proteststurm deutscher Wissenschaftler zuvorgekommen. 260 Historiker und Wissenschaftler anderer Disziplinen hätten ein Schreiben unterzeichnet, in dem die Rücknahme der geplanten Ehrung gefordert werde.

Wolfgang Grenz, Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland, wies im Abendblatt darauf hin, dass es auch unter Medwedew, Putins Nachfolger im Amt des Staatschefs, rechtsstaatliche Defizite gebe. Ein drängendes Problem sei unter anderem die Menschenrechtslage im Nordkaukasus und die unzureichende Aufklärung des Todes der Menschenrechtlerin Natalja Estemirova. "Menschenrechtsverteidiger im Nordkaukasus müssen ihrer Arbeit nachgehen können, ohne bedroht zu werden oder gar um ihr Leben zu fürchten", forderte Grenz.