Ein umstrittener Vertrag mit einem Ärztezentrum bringt die Techniker Krankenkasse in Bedrängnis. Der Vorwurf: Beitragsverschwendung.

Hamburg. Wegen eines umstrittenen Vertrages mit einem medizinischen Versorgungszentrum hat die Techniker Krankenkasse (TK, 7,2 Millionen Versicherte) Ärger mit den Aufsichtsbehörden. Mit siebenstelligen Summen unterstützt die TK die Firma HCM, die unter dem Markennamen Atriomed auch in Hamburg-Winterhude ein Ärztezentrum betreibt. Der Vorwurf lautet: Die TK bezahlt zweimal für eine Behandlung ihrer Patienten, die ins Atriomed gehen, und verschwendet somit Beiträge der Versicherten.

TK-Versicherte bekommen im Atriomed eine besondere Behandlung: Sprechstunden von morgens acht bis abends acht, sechs Stunden sonnabends; schnelle Termine beim Orthopäden, Augen- oder Frauenarzt; ein eigener Warteraum mit Kaffeemaschine und Internet-Terminal.

"Wir haben mit der Firma HCM, die Atriomed betreibt, Leistungen vereinbart, die über die ärztlichen Honorare hinausgehen. Wenn man mehr Leistungen vereinbart, kann man das auch extra vergüten", sagte TK-Sprecherin Dorothee Meusch dem Abendblatt. Das Gesetz gelte seit 2004.

Das ZDF-Magazin Frontal 21 hatte berichtet, die Vereinbarungen seien nicht rechtmäßig. Die Leistungen im Atriomed hätten nichts mit einer gesetzlichen Krankenkasse zu tun. "HCM ist als Leistungserbringer nach deutschem Sozialrecht zugelassen", sagt TK-Sprecherin Meusch. Die Kasse geht jetzt gerichtlich gegen das ZDF vor. Nach Informationen des Abendblatts prüft das Bundesversicherungsamt den Vertrag zwischen der TK und HCM. Die Firma wird von Ärzten als "Gesundheitsheuschrecke" bezeichnet, ein Unternehmen, das auf hohe Renditen ausgerichtet sei. Der Sprecher des Bundesversicherungsamtes, Tobias Schmidt, sagte: "Wir haben die TK um eine Stellungnahme gebeten."

Dem Abendblatt liegt der vertrauliche Vertrag zwischen der TK und HCM vor. Darin ist vereinbart, dass jedes der vier Atriomed-Ärztezentren fünf Jahre lang pro Jahr 1,071 Millionen Euro bekommt. Die Großpraxen müssen rauchfrei sein, dürfen nicht in der Nähe von Spielhallen liegen, und niemand sollte Mitglied bei Scientology sein.

Das Geld fließt außer für die Leuchtreklame an der Fassade für ausgeklügelte Behandlungspfade: So wird innerhalb eines Ärztezentrums gesichert, dass es keine Doppeluntersuchungen gibt, dass man bei Bedarf mit elektronischen Patientenakten schnell von einem Spezialisten zum nächsten gebracht wird. Im Wartezimmer soll kein TK-Versicherter länger als 30 Minuten sitzen.

Was für die TK die schnelle und gute Behandlung der Zukunft ist, stößt den niedergelassenen Ärzten sauer auf. Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg wollte sich nicht äußern. Die KV hatte jedoch beklagt, dass Atriomed Arztsitze aufgekauft, ins Atriomed verlagert und die Versorgung gefährdet habe. Im Atriomed sind die Ärzte angestellt. Die Fluktuation soll hoch sein. In Hamburg sind sechs Stellen ausgeschrieben. "Unsere Versicherten nehmen das Atriomed gut an", sagt TK-Sprecherin Meusch. So werde das Hamburger Atriomed viermal mehr von TK-Versicherten besucht, als die Kasse Marktanteil in der Stadt habe.

"Die medizinische Versorgung wird an Geschäftemacher verschoben", kritisiert dagegen der Präsident der Freien Ärzteschaft, Martin Grauduszus. Er erwartet, dass die Bundesregierung sich die Medizinischen Versorgungszentren genauer anschaut. Schließlich stehe im Koalitionsvertrag, dass Geschäftsanteile nur von Ärztinnen und Ärzten sowie Krankenhäusern gehalten werden sollen. "Dass die Betreibergesellschaft irre Summen von der TK bekommt, ist ein Skandal", so Grauduszus zum Abendblatt. "Die freiberuflichen Ärzte können da nicht mithalten."

Im Atriomed Berlin hatte es großen Streit um Abrechnungen und mögliche Manipulationen gegeben. Die Vorwürfe sind nicht bewiesen. Die Techniker Krankenkasse hat den Vertrag dort gekündigt.