Ein Jahr ist die rot-grüne Minderheitsregierung in Düsseldorf an der Macht und experimentiert weiter

Düsseldorf. Ein Jahr, zwei Sichtweisen. Auch so funktioniert Politik. Für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) arbeitet ihre rot-grüne Minderheitsregierung stabil. Alle Gesetzentwürfe seien im Düsseldorfer Fünf-Parteien-Parlament "mit bunten Mehrheiten" verabschiedet worden. Mit der Abschaffung der Studiengebühren und mehr Geld für Kindergärten und Kommunen sei das Land auf einem guten Weg. "Wir haben in den vergangenen zwölf Monaten sehr viel erreicht. Das hätte uns am Anfang wohl kaum jemand zugetraut." So bilanziert Kraft.

Oppositionsführer Karl-Josef Laumann (CDU) sieht das anders. Seine Partei habe bei keiner einzigen wichtigen Gesetzesreform mit Rot-Grün gestimmt. Das bundesweit einzigartige Regierungsexperiment sei in Wirklichkeit sehr fragil: "Diese Regierung hat, wenn's schwierig wird, keine Zustimmung mehr." Sobald kein neues Geld mehr ausgegeben werden könne, werde die Linke als Mehrheitsbeschafferin ausfallen, prognostizierte der CDU-Landtagsfraktionschef.

Risiken und Nebenwirkungen waren eingeplant, als Hannelore Kraft vor einem Jahr das Experiment wagte. Ein Aushängeschild mit Vorbildcharakter für andere Länder oder den Bund ist das rot-grüne Minderheitsmodell bislang nicht geworden. Die Koalition aus SPD und Grünen bleibt in den meisten Fragen darauf angewiesen, dass die kleine Linksfraktion sich im Parlament zumindest enthält. Das klappt nicht immer. Zur eigenen Mehrheit fehlt Rot-Grün im Landtag eine Stimme. Bei CDU und FDP beißt die selbst ernannte "Koalition der Einladung" meist auf Granit.

Kurz vor dem ersten Regierungsgeburtstag fuhr Kraft im Landtag ihre erste Abstimmungsniederlage ein - ausgerechnet bei einer Entscheidung über die Zukunft der maroden WestLB, einer mit Milliardenrisiken behafteten Schicksalsfrage für die Steuerzahler. Trotz peinlicher parlamentarischer Winkelzüge verlor die Regierung im ersten Anlauf die Abstimmung. Auf den letzten Drücker rangen sich SPD, CDU und Grüne zu einem Konsens durch.

Das politische Klima aber ist seitdem in Düsseldorf vergiftet. Doch Neuwahlen sind wenig realistisch: Für die CDU ist die Übernahme der Macht in Düsseldorf unwahrscheinlich, die SPD erreichte zwar mit den Grünen eine Regierungsmehrheit, würde aber geschwächt, FDP und Linke endeten im außerparlamentarischen Nichts. Die CDU wolle "Opposition der Alternativen und der Attacke" sein, sagt Laumann. Dabei muss aber sowohl die CDU als auch die FDP auf ihre Fraktion setzen, denn ihre Landesparteivorsitzenden sind in Düsseldorf kaum präsent. CDU-Bundesumweltminister Norbert Röttgen und Gesundheitsminister Daniel Bahr von der FDP haben in Berlin viel Arbeit mit der schwächelnden schwarz-gelben Koalition.

In Notlagen, wie bei der Landtagsabstimmung um die Zukunft der WestLB, werde die CDU der Regierung aus staatspolitischer Verantwortung helfen, versicherte Oppositionschef Laumann. Unversöhnlich stehen CDU und FDP aber Krafts Politikansatz gegenüber, auch Schulden in Kauf zu nehmen, um mit Investitionen in Bildungsgerechtigkeit, kommunale Selbstständigkeit und Armutsbekämpfung soziale Risiken zu entschärfen. Während alle anderen Länder versuchten, ihre Haushalte zu konsolidieren, sattle Kraft bei der Neuverschuldung ständig drauf, urteilt Laumann.

Die Rote Karte gab es für Rot-Grün aber vom Landesverfassungsgericht, das die geplante Rekordneuverschuldung untersagte. Zudem hängen die Garantien für die WestLB wie ein Damoklesschwert über der Regierung. Die Minderheitsregierung geht nun bald erst einmal in die Sommerpause. Das Jahr ist vorbei. Das kommende wird nicht einfacher werden.