Wegen höherer Inflation sinkt die Kaufkraft auch bei Arbeitnehmern. Schwarz-Gelb plant 2012 Gesetz gegen Altersarmut
Berlin. Es ist eigentlich ein Paradox: Die Altersbezüge steigen - und trotzdem können sich die deutschen Rentner immer weniger leisten. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" liegt das an den wachsenden Lebenshaltungskosten. Weil Preise für Energie, Lebensmittel und Co. in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt deutlich stärker angezogen haben als die Zahlungen für die rund 20 Millionen Ruheständler in der Bundesrepublik, ergebe sich, dass die Renten seit 2001 real um sieben Prozent gesunken sind. Das Blatt beruft sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei.
Konkret haben die Renten demnach jährlich im Schnitt um 0,82 Prozent zugelegt. Berücksichtige man die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, die die Rentner zu zahlen hätten, habe das Plus unter dem Strich lediglich 0,56 Prozent jährlich betragen. Im selben Zeitraum sind die Preise jedoch um 1,36 Prozent im Jahr gestiegen. Wie die Linke berechnet hat, steht unter dem Strich ein Minus von sieben Prozent. "Auf Deutschland rollt eine Welle der Altersarmut zu", warnte Parteichef Klaus Ernst. "Wenn die Renten weiter in dem Tempo sinken, dann liegt die Durchschnittsrente in zehn Jahren unter der Grundsicherung." Er plädierte für eine neue Rentenformel, die die Ruheständler vor Inflationsverlusten schützt, und eine Mindestrente.
Doch auch Arbeitnehmer können sich wegen steigender Lebenshaltungskosten im Endeffekt weniger leisten, obwohl sie mehr verdienen. Siebenmal, 2001 und von 2004 bis 2009, mussten sie in den vergangenen zehn Jahren Reallohnverluste hinnehmen.
Die Bundesregierung verweist in ihrer Antwort darauf, dass Löhne keinen Schutz vor Inflation genießen - und auf die Tatsache, dass sich die Anpassung der Renten nun mal per Gesetz an der Lohnentwicklung orientiert. Verwiesen wird zudem auf die von der Großen Koalition eingeführte Rentengarantie, nach der die Renten auch bei sinkenden Löhnen nicht gekürzt werden. "Die Renten sind momentan höher, als sie es ohne Schutzklausel wären", heißt es in der Antwort.
Vor allem auf der linken Seite des politischen und gesellschaftlichen Spektrums gibt man sich damit nicht zufrieden. Annelie Buntenbach vom Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) bezeichnete es als "zynisch", dass die Bundesregierung den gesunkenen Wert der Renten mit der schwachen Lohnentwicklung begründe. Der Präsident des Sozialverbandes SoVD, Adolf Bauer, führte zudem eigene Zahlen an: "Nach SoVD-Berechnungen liegt der Kaufkraftverlust seit 2004 bei bis zu zehn Prozent", sagte er. Allein in diesem Jahr müssten die Rentnerinnen und Rentner Kaufkraftverluste von mindestens 1,3 Prozent auffangen. "Nullrunden, Minianpassungen sowie die zunehmenden Belastungen in der Kranken- und Pflegeversicherung setzen ihnen schwer zu." Die Bundesregierung müsse endlich begreifen, dass wirksame Gegenmaßnahmen geboten seien.
Die schwarz-gelbe Koalition will das Thema nach der parlamentarischen Sommerpause auf die Tagesordnung bringen und einen "Regierungsdialog Rente" ins Leben rufen. Zum Jahreswechsel soll unter Federführung von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ein Gesetz zur Vermeidung von Altersarmut entstehen. SPD-Chef Sigmar Gabriel machte jüngst den Vorschlag einer "Sockelrente" oberhalb der Grundsicherungsgrenze, die derzeit bei 658 Euro liegt. Die Sozialdemokraten wollen ihr Gesamtkonzept in den kommenden Wochen festzurren und im Herbst vorstellen.
(pau)