Konferenz in Berlin kann sich nicht auf verbindliche Ziele einigen. Umweltamtschef Flasbarth: Von Verzögerung nicht entmutigen lassen.

Berlin. Zum Schluss blieb Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) nichts anderes übrig, als sich in Zweckoptimismus zu üben. Man habe zwar keinen Durchbruch erreicht, aber kleine Fortschritte gemacht. "Wir sind zu Ergebnissen gekommen, zu Diskussionspunkten, die vorher so nicht da waren", sagte Röttgen am Ende des "Petersberger Klimadialogs" in Berlin. In den vergangenen zwei Tagen waren Delegationen aus 35 Staaten nach Berlin gekommen. Ihr Ziel: eine Nachfolgeregelung zu finden für das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll, in dem sich fast 200 Staaten zu Klimaschutzmaßnahmen und zu verbindlichen Obergrenzen für Treibhausgase verpflichtet hatten.

Doch die weltweite Klimadiplomatie hat sich festgefahren. Bereits seit Jahren weigern sich die Haupterzeuger von Treibhausgasen - vor allem die USA und China -, sich einem internationalen Regelwerk für Klimaschutz zu unterwerfen. Sie fürchten Kosten und Wettbewerbsnachteile für ihre nationalen Industrien.

An der skeptischen Haltung sollte sich auch in Berlin nichts ändern. Es bleibe "noch eine Menge Arbeit", räumte Röttgen nach der Veranstaltung ein. Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte die Ergebnisse der Konferenz als substanzlos. "Die Lösungen zur Rettung des Planeten werden weiter vertagt", sagte Greenpeace-Experte Martin Kaiser.

Deutlich positiver bewertete dagegen der Chef des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, das Treffen. "Die Ergebnisse des Petersberger Dialogs sind ein kleiner wichtiger Schritt in einem langen Prozess und einer komplizierten Gemengelage", sagte Flasbarth dem Hamburger Abendblatt. Es sei dabei von vornherein klar gewesen, dass man nicht mit einem Treffen alle Probleme lösen könne, man dürfe daher das Kyoto-Protokoll nicht totsagen. "Am Ende ist wichtig, dass die Staaten eine verbindliche Vereinbarung treffen, wie sie den CO2-Ausstoß reduzieren und die Erderwärmung stoppen. Dass es bis dahin möglicherweise etwas länger dauert, sollte niemanden entmutigen." Auch wenn es Ende des Jahres noch kein Nachfolge-Abkommen für Kyoto gebe, müsse und dürfe es keinen Stillstand beim Klimaschutz geben.

Wissenschaftler wie Stefan Rahmstorf vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung drängen dagegen zur Eile: "Wenn wir in fünf bis allerspätestens zehn Jahren den Gipfelpunkt der globalen Emissionen nicht überschritten haben, werden wir es nicht mehr schaffen, die globale Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen", sagte Rahmstorf dem Abendblatt. Unter Wissenschaftlern herrscht große Einigkeit, dass ab einer Erwärmung von mehr als zwei Grad - verglichen mit der Durchschnittstemperatur in vorindustriellen Zeiten - die Risiken des Klimawandels wie Dürren und Stürme immer größer und unbeherrschbarer werden. Dazu soll der Ausstoß von Treibhausgasen wie Kohlendioxid bis 2050 halbiert werden. Doch noch steigen die Emissionen immer weiter an. Die Bundesregierung will 40 Prozent der deutschen Kohlendioxid-Emissionen bis zum Jahr 2020 im Vergleich zum Jahr 1990 einsparen. Damit hat Deutschland in der Europäischen Union eine Vorreiterrolle: Die EU hat sich nur dazu verpflichtet, den Treibhausgasausstoß bis 2020 um 20 Prozent zu vermindern. Der Vorstoß Deutschlands, diese Marke auf 30 Prozent zu erhöhen, scheiterte vor Kurzem.

Stephan Kohler, Geschäftsführer der Deutschen Energieagentur (Dena), betont die Bedeutung einer internationalen Einigung beim Klimaschutz: "Deutschland ist nur für 2,7 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich", sagt Kohler. "Wenn wir eine ökologische Vorreiterrolle einnehmen wollen, dann müssen wir darauf achten, dass auch die USA und China mitmachen." Wenn kein Kyoto-Nachfolge-Abkommen zustande komme, solle Europa weiter bei seinem Emissionshandel bleiben. Dann müsse die Bundesregierung aber darauf achten, dass die Industrie nicht durch steigende Strompreise belastet werde.

Beim Emissionshandel müssen CO2-erzeugende Unternehmen an einer Börse Verschmutzungsrechte erwerben. Deren Gesamtmenge ist begrenzt und schrumpft über mehrere Jahre hinweg. Ohne Atomkraft wird Deutschland etwa 12 000 Megawatt Erzeugungskapazität fehlen. Werden alle Atomkraftwerke durch Kohle- oder Gaskraftwerke ersetzt, steigt der CO2-Ausstoß.

Trotzdem sind sich Experten einig. "Deutschland kann seine Klimaziele erreichen - auch mit dem Atomausstieg", sagt Jochen Flasbarth. Zudem sei der CO2-Ausstoß durch den EU-Emissionshandel gedeckelt. Das heißt: Verbraucht die deutsche Wirtschaft irgendwo mehr Emissionsrechte, muss sie die an anderer Stelle wieder einsparen.

Auch Dena-Chef Kohler glaubt, dass Deutschland seine Klimaziele erreichen kann - sofern das gesamte Energiepaket umgesetzt wird: "Die Bundesregierung darf nicht nur den Ausbau der erneuerbaren Energien fördern, sondern muss auch die Effizienz steigern, beispielsweise beim Wärmeverbrauch in Gebäuden."

Rahmstorf hofft, "dass der Ausstieg aus der Kernenergie den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigt und damit auf lange Sicht die CO2-Emissionen senkt." Zudem könne vor allem Deutschland als Beispiel für andere Länder dienen, "indem es zeigt, dass eine Energiewende ohne Wohlstandsverluste möglich ist."