Die CDU will mit Haupt- und Realschule in einer Oberschule vereinen. In Hamburg gibt es die Stadtteilschulen schon seit 2010. Kritik aus Bayern.

Berlin. Stirbt die Schule, stirbt die Gemeinde - von dieser Angst eines jeden Bürgermeisters weiß auch die CDU-Spitze. Und sie hat die Auseinandersetzungen in Nordrhein-Westfalen genau verfolgt, wo sie im vergangenen Jahr die Macht an Rot-Grün abgeben musste und in der Schulpolitik seither ungewöhnliche Koalitionen zustande kommen. So avancierte ausgerechnet ein CDU-Mann im "schwarzen" Münsterland zum Pionier für die von seiner Partei lange abgelehnten Gemeinschaftsschule in NRW.

Der Bürgermeister von Ascheberg, Bert Risthaus, zog dieses Modell des längeren gemeinsamen Lernens der Gefahr vor, dass Kinder nicht mehr in seiner Stadt zur Schule gehen und zum Unterricht in andere Orte gefahren werden müssen. Eltern dankten es ihm, und das drang bis in die CDU-Parteizentrale in Berlin durch. So richtig politisch draufhauen auf die Vorstellungen von SPD und Grüne, wie Schulformen vereint werden könnten, mochte manch einer in den oberen Etagen des Konrad-Adenauer-Hauses da nicht mehr.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) machte Ende Mai im Abendblatt einen Aufschlag: "Deutlich zurückgehende Schülerzahlen führen in den Ländern dazu, dass Hauptschule und Realschule zu einer Oberschule verbunden werden." So ein Prozess dauere, sei aber eine realistische Zukunftsperspektive.

Auch die Parteispitze sieht, wie sich die Gesellschaft verändert, auch sie kennt die Nöte in den Gemeinden bei immer weiter sinkenden Schülerzahlen. Und nun reagiert sie mit dem Entwurf für den Leitantrag beim Bundesparteitag im November in Leipzig, bei dem sie sich speziell mit der Bildung in Deutschland beschäftigen will.

In dem 30-seitigen Papier schlägt sie vor, Haupt- und Realschule zu einer Oberschule zu vereinen, die sowohl den Weg in die berufliche Bildung als auch zur allgemeinen Hochschulreife eröffnen soll. Damit verabschiedet sich die CDU von dem alten dreigliedrigen Schulsystem, an dem sie sehr lange festgehalten hat.

In Hamburg ersetzen die sogenannte Stadtteilschulen schon seit August 2010 Haupt-, Real- und Gesamtschulen. Der neue Hamburger CDU-Landeschef Marcus Weinberg unterstützt deshalb die Initiative. Insbesondere die Zusammenlegung von Haupt-, Real- und Gesamtschule sei ein richtiger Weg, sagte der Bundestagsabgeordnete Weinberg, der auch stellvertretender Vorsitzender des Bundesfachausschusses Bildung ist. Die Hamburger Erfahrungen mit dem Zwei-Wege-Modell würden zeigen, wie wichtig eine solche Reform des Bildungssystems sei.

Politiker der Koalitionsparteien CSU und FDP sowie von der Opposition kritisierten die Pläne am Mittwoch.

Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) sagte, der Freistaat halte an der Hauptschule fest und begründete dies mit „individueller Förderung der Schülerinnen und Schüler“. Er sagte aber auch: „Ich habe Verständnis, dass einzelne Länder aufgrund eines dramatischen Schülerrückgangs darüber nachdenken, das differenzierte Schulwesen in anderer Form zu organisieren.“

Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, sagte, im Vordergrund müsse stehen, wie unterschiedliche Talente sowie praktische und theoretische Fähigkeiten der Kinder am besten gefördert werden könnten. Dabei sei sie für jede Diskussion offen.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Patrick Meinhardt kritisierte, die CDU-Spitze habe „am grünen Tisch“ eine Oberschule entworfen und wolle nicht nur die Hauptschule, sondern auch die Realschule abschaffen. „Dies ist ein Irrweg.“ Es sei auch keinem Hauptschüler geholfen, wenn er künftig den Stempel Oberschüler trage. Den Bundesländern dürfe außerdem nicht in ihre Schulpolitik hineingeredet werden.

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte: „Die CDU vertritt in jedem Bundesland eine andere schulpolitische Position und offenbart damit die ganze Schizophrenie ihrer Bildungspolitik.“ Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Rosemarie Hein, erklärte, ein zweigliedriges Schulsystem könne nur ein Zwischenschritt sein. Denn auch ein zweigliedriges Schulsystem hebe die „ausgrenzenden Effekte nicht auf“.

Die Oberschule soll den Weg entweder in die berufliche Bildung oder zur allgemeinen Hochschulreife eröffnen. Einen entsprechenden Entwurf des Leitantrags zum Bundesparteitag im November in Leipzig will der Vorstand bei einer Sitzung mit Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel am nächsten Montag in Berlin verabschieden.