Der Ex-Finanzminister wird als SPD-Spitzenkandidat gehandelt. Bei einem Besuch in Hamburg erklärt er, wie man Griechenland rettet.

Hamburg. Irgendwann in den gut zwei Stunden, in denen Peer Steinbrück redet und Fragen beantwortet, schwindet die Vorstellung, dass dieser Mann einmal das Amt des Bundeskanzlers ausüben könnte. Er müsste dafür ja zurück in die dicke Luft der Berliner Realpolitik, zurück zum mühsamen Pragmatismus einer Koalition. Zurück in ein Leben entlang des strikten Terminkalenders eines Regierungschefs. Peer Steinbrück hätte wenig Zeit für Tage wie gestern, an denen er in Hamburg erst im Hörsaal der Bucerius Law School und später im Wandsbeker Bürgersaal gastiert.

Zwar sitzt Steinbrück als Abgeordneter der SPD im Bundestag. Er war Ministerpräsident, er war Bundesfinanzminister. Doch als er gestern Abend auf Einladung der SPD-Landesgruppe Hamburg im Bundestag in Wandsbek ist, führt er keinen Wahlkampf. Steinbrück hält eine Vorlesung im Fach Politik. Thema: Die Krise Europas.

Steinbrück parliert. Der 64-Jährige steht nicht am Pult, er hält das Mikrofon in der einen Hand, die andere ruht in seiner Hosentasche. Steinbrück fordert eine Entschuldung Griechenlands. Zugleich müssten die europäischen Staaten in das kriselnde Land investieren - in die Infrastruktur, in die Bildung, vielleicht sogar in regenerative Energien.

Steinbrück redet von "Risikoaufschlägen", von einem "Sekundärmarkt für Anleihen" und von "Infektionskanälen durch Überschuldung". Aber er macht das so, dass es die Menschen im Wandsbeker Bürgersaal verstehen - und sogar Spaß mit der europäischen Fiskalpolitik haben. Steinbrück findet eine Sprache für die Lage Europas in Zeiten der Griechenland-Krise. Das Geschick eines Intellektuellen.

Laut Umfragen des ZDF ist kein Politiker derzeit beliebter als Steinbrück. In diesen Tagen, in denen er als Buchautor und Gastredner durch Deutschlands Hörsäle zieht, wird er immer wieder als nächster Kanzlerkandidat der SPD ins Spiel gebracht. Aber darüber redet Steinbrück nicht. Auch nicht im Bürgersaal. Er attackiert nicht mit SPD-Parolen die schwarz-gelbe Regierung. Übt er Kritik an der Koalition, nennt er es "kleine Angriffe mit dem Florett".

Das kommt gut an bei den Zuhörern. Auch an diesem Abend im Bürgersaal. Man blickt über viele graue Haare, es sind vor allem 50- bis 70-Jährige gekommen. Seine Generation, sagt Steinbrück. Manche stellen ihm Fragen mit hamburgischem Zungenschlag, so wie man ihn auch bei Peer Steinbrück noch erahnt. Er ist in der Hansestadt aufgewachsen. Fast zwei Stunden lang geht es um "Bad Banks" und die Europäische Zentralbank. Erst kurz vor Schluss kommt das Thema Berlin doch noch zur Sprache. Ein Mann mit Karohemd und blauer Weste steht auf, sagt ins Mikrofon: "Sie haben heute Abend gezeigt, dass Sie ein guter Kanzler wären." Der Bürgersaal applaudiert. Es gibt noch Schnittchen nebenan.