Bundespräsident sagt, es sei mehr Hilfe möglich, “als wir gegenwärtig leisten“

Berlin. Bundespräsident Christian Wulff hat die EU-Staaten zur Mitmenschlichkeit gegenüber Flüchtlingen aus Nordafrika aufgerufen. "Für ein Europa, das in Frieden, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie lebt, muss es selbstverständlich sein, Solidarität gegenüber denen zu zeigen, die schutzbedürftig sind", sagte Wulff gestern in Berlin bei einer Veranstaltung des Bündnisses "Gemeinsam für Afrika" anlässlich des Uno-Weltflüchtlingstags. Deutschland habe nicht vergessen, dass andere Staaten vielen Verfolgten des NS-Regimes Aufnahme gewährt hätten, und fühle sich deshalb bis heute besonders verpflichtet zu helfen. Er fügte hinzu: "Es ist sicher mehr möglich, als wir gegenwärtig leisten." Andererseits nehme die Bundesrepublik in Relation zu ihrer Bevölkerungszahl schon jetzt mehr Flüchtlinge auf als jede andere Industrienation, das habe der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) gerade festgestellt.

Wulff sagte, den durch die politischen Umwälzungen in Nordafrika ausgelösten Flüchtlingsansturm gelte es in Europa gemeinsam zu bewältigen. Primär liege die Verantwortung für die Schutzsuchenden jedoch bei den Regierungen der Ursprungsländer: "Flüchtlinge aufzunehmen kuriert allenfalls die Symptome, heilt aber nicht die Ursachen." Deutschland werde bei der bilateralen Zusammenarbeit deshalb die "Regierungen bevorzugen, die sich für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Transparenz einsetzen". Er wünsche sich "Partnerschaftsprogramme auf Augenhöhe", sagte Wulff. Afrika müsse seine eigenen Ideen umsetzen können.

Auch in Afrika seien es die armen und die ärmsten Nachbarländer, die die Hauptlast der Wanderungsbewegung trügen, erklärte Susanne Anger, die Sprecherin des Bündnisses Gemeinsam für Afrika. Laut UNHCR sind weltweit mehr als 15 Millionen Menschen auf der Flucht. Höchstens ein bis zwei Prozent kommen nach Europa. Umso beschämender sei es, dass europäische Regierungen einen Mann wie Gaddafi dafür bezahlt hätten, Asylsuchende mit Gewalt von der Überfahrt nach Europa abzuhalten. Anger erinnerte daran, dass seit Anfang des Jahres bereits 1400 Afrika-Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken sind. Sie appellierte an die EU, ihre repressiven Grenzschutzmaßnahmen zu beenden. Sie passten nicht zu einem Europa, das sich auf die Werte der Aufklärung berufe.

"Gemeinsam für Afrika" ist ein Bündnis von 23 deutschen Hilfswerken und Non-Profit-Organisationen. Die Kampagne will dem Bild vom "verlorenen Kontinent" entgegenwirken und auf die Potenziale Afrikas aufmerksam machen. Horst Köhler hatte die Schirmherrschaft über das Projekt 2004 übernommen, sein Amtsnachfolger Wulff setzt diese Tradition nun fort.