Planspiel “Jugend und Parlament“ macht den Nervenkitzel des politischen Handelns für Nachwuchsabgeordnete erlebbar

Berlin. Mehr als 300 Vertreter der CVP, APD, LRP, ÖSP und PSG zogen gestern in den Deutschen Bundestag ein. Die Namen der Parteien sind erfunden - aber die fiktiven Politiker brachten einen wirklich neuen Politikstil mit. Denn sie sind erst zwischen 16 und 20 Jahre alt.

Seit 2006 organisiert der Deutsche Bundestag das Planspiel "Jugend und Parlament". Vier Tage lang debattierten 312 Jugendliche über Atomausstieg, Pressefreiheit und Schüler-BAföG. Dabei sollen sie merken, wie hoch die Anforderungen an Abgeordnete sind. Wie werden Debatten geführt? Wie sieht Fraktionsarbeit aus? Wie entsteht ein Gesetz? Auf dem Höhepunkt des Planspiels musste jede Fraktion ihre vorher in den Ausschüssen erarbeiteten Standpunkte im Parlament darlegen. Demokratie aktiv zu leben machte den Jugendlichen sichtlich Spaß - in der Plenarsitzung im Bundestag ging es leidenschaftlich zu: Erboste Zwischenrufe aus der Opposition, doch unbeirrt lehnt sich Fraktionschef Kurt Luxemburg auf das Rednerpult und ruft: "Wir bringen das wohl beste Gesetz zum Atomausstieg auf den Weg, das es in Deutschland je gegeben hat." Applaus aus seiner Partei - der Christlichen Volkspartei (CVP). Die erfundene Regierung stellt eine christlich-liberale Koalition aus CVP und Liberaler Reformpartei (LRP).

Noch lauter wird es, als Philipp Winterburg für die Partei der Sozialen Gerechtigkeit nach vorne ans Rednerpult tritt. Mit erhobenem Zeigefinger schimpft er in Richtung Regierungskoalition: "Meine Damen und Herren, ein dämlicherer und rücksichtsloserer Gesetzentwurf ist mir noch nicht untergekommen!" Die PSG-Fraktion jubelt. Ein Zwischenruf aus der LRP übertönt den Beifall: "Sie sind sich bewusst, dass Sie hier nicht auf einer Parteiveranstaltung sind?" Lachen schallt durch den Saal. Winterburg nun mit hochrotem Kopf: "Harte Themen brauchen harte Worte, lieber Herr Kollege." Abgeklärt wie die Profis.

Der direkte Schlagabtausch kostet einige Jugendliche Überwindung. Nicht immer stimmen die im Planspiel übernommenen Rollen mit der persönlichen politischen Überzeugung überein. Der PSG-Abgeordnete Winterburg heißt im wirklichen Leben Fabian Winter, ist 19 Jahre alt und Mitglied der Jungen Union. Vorübergehend in das linke Lager zu wechseln, machte ihm dennoch Spaß. "Als Opposition muss man auf Missstände hinweisen - und als Linke darf man auf Gutdeutsch auch mal auf die Kacke hauen", sagt der Gymnasiast grinsend.

Ob sich die Jugendlichen vorstellen können, später selbst einmal Berufspolitiker zu werden? Vielleicht, antworten die meisten. Von Politikverdrossenheit will der 20-Jährige Dominik Mattes aber nichts wissen - doch er wünscht sich mehr Gesprächsbereitschaft der Politiker, etwa über Facebook.