Gestern ging der evangelische Kirchentag in Dresden zu Ende. In zwei Jahren kommt er nach Hamburg

Dresden. Ein Impuls für den Glauben. Beim Evangelischen Kirchentag in Dresden hat sich der deutsche Protestantismus fünf Tage lang in seiner ganzen Breite präsentiert: 118 000 Dauerteilnehmer und Zehntausende Tagesgäste haben ein Fest des Glaubens gefeiert: fröhlich, fromm und zugleich sehr politisch. "Der Kirchentag hat gezeigt: Es gibt eine neue Lust auf Theologie", bilanzierte die Präsidentin des Treffens, Katrin Göring-Eckardt.

Das Christentreffen, das gestern mit einem Open-Air-Gottesdienst auf den Elbwiesen zu Ende ging, verlieh dem barocken Dresden einige Farbtupfer. 120 000 Besucher strömten zu den Ufern rechts und links der Elbe. Katrin Göring-Eckardt forderte eine stärkere Beteiligung der Menschen an wichtigen Entscheidungen. "Wir wollen keine Von-oben-Politik, sondern sind die Dafür-Republik", sagte die Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin. Sie verlangte offene Diskussionen zum Beispiel über Großprojekte, die künftige Energieversorgung und das Gesundheitssystem.

Am Ende des Gottesdienstes lud der nordelbische Bischof Gerhard Ulrich die Gläubigen nach Hamburg ein, wo 2013 der nächste Kirchentag stattfinden wird. "Da es bei uns im Norden immer weht, bin ich voller Zuversicht, dass auch der Heilige Geist für uns wehen wird", sagte Bischof Ulrich.

Fünf Tage hatten nicht nur bunte Luftballons und grüne Kirchentagsschals die barocke Kulisse beherrscht, sondern auch Posaunenchöre und Pfadfinder, Bischöfe und Bundespräsident, Kanzlerin und Oppositionspolitiker - und die langjährigen Lieblinge der Kirchentagsbewegung. So sorgte Margot Käßmann auch in Dresden für überfüllte Hallen und Kirchen. Die Ex-Bischöfin und Bestsellerautorin traf ihr Publikum, auch wenn sie wenig Überraschendes im Gepäck hatte. Ergreifend war der Beitrag des 88-jährigen Jörg Zink, der nach einer schweren Operation im vergangenen Jahr per Video zu einer Bibelarbeit zugeschaltet wurde. "Ich weiß nicht, ob wir uns noch einmal wiedersehen", sagte der Bestsellerautor, der dem Kirchentag seit den 50er-Jahren eng verbunden war.

Die politische Hauptperson des Kirchentages indes war Thomas de Maizière (CDU). An den Auftritten des Verteidigungsministers zeigte sich am deutlichsten, wie sich der Kirchentag in drei Jahrzehnten verändert hat. Während sein Vorgänger Hans Apel (SPD) beim Kirchentag in Hamburg 1981 für seine Raketenpolitik mit Tomaten beworfen wurde, hörten am Freitagabend 1000 Menschen de Maizière gespannt zu. De Maizières Diskussion mit Nikolaus Schneider, dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), war ein Höhepunkt. Das Thema Auslandseinsätze war wichtiger geworden als der Atomausstieg.

Der Verteidigungsminister, der dem Kirchentagspräsidium angehört, überraschte mit der Aussage, ein Gebet selbst für die Taliban sei sinnvoll. Es könne jedoch nicht alles sein, ersetze keine praktische Politik. De Maizière stellte sich gegen die Rede von einem gerechten Krieg: "Den gibt es nicht, wohl aber den gerechtfertigten Krieg." Und um Gewalt von Diktatoren zu stoppen, sei auch für einen Christen ein militärisches Eingreifen geradezu geboten. Zwar lade man damit Schuld auf sich: "Aber wer nichts tut, wird auch schuldig."