Suche nach Atomendlager soll ausgeweitet werden. E.on klagt gegen Ausstiegspläne

Berlin. In der schwarz-gelben Koalition mehren sich Stimmen, die die Suche nach einem Endlager für Atommüll nicht auf den niedersächsischen Salzstock Gorleben beschränken wollen. "Der Standort in Gorleben muss ergebnisoffen zu Ende erkundet werden. Daneben könnte man andere Überlegungen stellen", sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle dem Hamburger Abendblatt. "Wenn Bayern und Baden-Württemberg nun bereit sind, auch bei sich nach geeigneten Standorten suchen zu lassen, sollten wir das Angebot annehmen."

Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) sprach sich dafür aus, in der gesamten Bundesrepublik nach einem Endlager zu suchen: "Der Bund will Gorleben weiter erkunden. Aber wir haben immer als Niedersachsen gesagt, der Bund muss für den Fall vorbereitet sein, dass Gorleben nicht geeignet ist." Die Landesregierung fordert deshalb ein Bundesgesetz zur Suche eines Endlagers. "Bislang fehlende Rahmenvorgaben für die Anforderungen an den dauerhaften Verbleib hochradioaktiver Abfälle, die Suche und die Auswahl geeigneter Standorte (...) sind gesetzlich zu regeln", heißt es in einem Positionspapier. McAllister glaubt jedoch nicht, dass die Einführung eines solchen Gesetzes bis zur Verabschiedung des Energiekonzepts am 8. Juli möglich sei.

Am Montag hatte sich die Bundesregierung auf einen Atomausstieg bis 2022 geeinigt. Die sieben ältesten Meiler und die bereits stillgelegte Anlage in Krümmel werden nicht wieder ans Netz gehen. Die von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach der Atom-Katastrophe von Fukushima eingesetzte Ethikkommission hatte ebenfalls empfohlen, die Endlagersuche über Gorleben hinaus auszuweiten. Auch CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich erstmalig offen für die Suche nach einer Alternative.

Der größte deutsche Kernkraftbetreiber E.on kündigte gestern an, Klage gegen die Brennelementesteuer einzureichen. Sein Vorgehen begründete das Unternehmen mit Schäden in Milliardenhöhe, die mit dem früheren Ausstieg aus der Atomenergie verbunden seien. Schon aus aktienrechtlichen Gründen und zum Schutz seiner über 500 000 Kleinanleger dürfe E.on solche Vermögensschäden nicht hinnehmen. FDP-Fraktionschef Brüderle zeigte sich gelassen: "Ich bin mir sicher, dass unsere Entscheidung Bestand haben wird", sagte er. In einem Rechtsstaat habe aber jeder das Recht, den Rechtsweg zu beschreiten.

Brüderle riet zugleich zu einer nüchternen Betrachtung der Energiewende. "Jeder Bürger sollte wissen, dass die Entscheidung, innerhalb eines Jahrzehnts aus der Kernkraft auszusteigen, Konsequenzen hat: Energie wird wahrscheinlich teurer. Es muss mehr in Gebäudesanierung investiert werden. Wir brauchen neue Kohle- und Gaskraftwerke." Der Ausbau des Stromnetzes bringe zudem Eingriffe in die Natur mit sich. Brüderle appellierte an Gegner der Kernkraft, den Leitungsbau zu unterstützen. "Ich fordere neue Ehrlichkeit in der Energiepolitik", sagte er. Die Belastungen der Energiewende für den Bundeshaushalt bezifferte er mit zwei Milliarden Euro jährlich. Dazu kämen Kosten für die Verbraucher, die schwer zu beziffern seien. Es dürfe nicht übersehen werden, dass die deutsche Position "in ihrer Konsequenz von kaum einer europäischen Regierung geteilt wird", betonte Brüderle. "Die Schweiz will 2034 aussteigen, andere bauen sogar neue Kernkraftwerke." Diese Haltung erinnere daran, dass ein Land allein die Probleme der Sicherheit nicht lösen könne. "Bei uns ist das zu spüren, was die Angelsachsen 'German Angst' nennen."

Die SPD-geführten Länder forderten, den Bundesrat am Atomausstieg zu beteiligen. "Wir wollen eine unumkehrbare Ausstiegsvereinbarung auf einer klaren gesetzlichen Grundlage", sagte Kurt Beck (SPD), Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, dem "Handelsblatt". Er erwarte, dass die Regierung die Länder ordentlich beteilige. FDP-Politiker Brüderle verwies auf die Verfassungslage. "Unsere Verfassungsministerien - das Innen- und das Justizressort - sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Gesetze zur Energiewende nicht zustimmungspflichtig sind. Wir halten uns an Recht und Gesetz. Von den Protesten der Opposition lassen wir uns dabei nicht irritieren."