Betrüger haben verschrottete Euro-Münzen in China gekauft, zusammengesetzt und in Deutschland wieder zu Geld gemacht. Die Bundesbank ist blamiert

Irgendwie kam den Zollbeamten die Stewardess am Frankfurter Flughafen seltsam vor. Normalerweise reisen Piloten und Stewardessen mit kleinem Gepäck, auch bei weiten Flugreisen. Doch die Frau reiste offenbar nicht mit kleinem Gepäck. Irgendetwas Schweres musste sich in ihrem Koffer befinden, denn die Frau hatte so ihre Mühe, das Gepäckstück zu bewegen.

Die Zollbeamten baten die Dame, ihren Koffer doch mal zu öffnen - und stießen auf eine seltsame Fracht. Im Koffer der Lufthansa-Stewardess befanden sich Tausende Ein- und Zwei-Euro-Stücke. Die Münzen sahen allerdings komisch aus, viele hatten Spuren wie Wellpappe - wurden also schon entwertet. Bei anderen passten die Münzkerne und die Ringe nicht zusammen. Kurzum: In dem Koffer war Falschgeld.

Der Vorfall, der sich im vergangenen Jahr ereignete, ist ein Teil der Betrugsgeschichte, die in dieser Woche ihren Höhepunkt erreichte.

Am vergangenen Mittwoch durchsuchten Staatsanwälte und Polizisten zehn Objekte in Frankfurt am Main, Offenbach, Fulda und Mörfelden-Walldorf. Sechs Menschen im Alter von 28 bis 45 Jahren wurden festgenommen. Unter den Beschuldigten sind vier Chinesen und zwei Deutsche. Ihnen wird vorgeworfen, tonnenweise verschrottete Euro-Münzen aufgekauft, wieder zusammengesetzt und bei der Bundesbank wieder eingetauscht zu haben. Insgesamt machten die Betrüger auf diese Weise 29 Tonnen Schrott wieder zu Geld. Ihre Beute: sechs Millionen Euro.

Die Bundesbank, eigentlich die Jägerin aller Geldfälscher, ist blamiert. Die Währungshüter lassen sich Falschgeld andrehen - ein Skandal, der zum schlechtesten Zeitpunkt kommt. Denn der Ruf des Euro ist sowieso ramponiert: Versuchen doch europäische Politiker gerade verzweifelt, den Euro mit Rettungsschirmen zu retten.

Das Geschäftsgeheimnis der Münzfälscher ist ein Service, den die Deutsche Bundesbank anbietet: Beschädigte Euromünzen werden von der Bundesbank im vollen Wert erstattet. Der Service ist - das ist einmalig in Europa - kostenlos.

Denn der Kreislauf des Geldes ist nicht zu Ende, wenn eine beschädigte Münze wieder in der Bundesbank-Zentrale in Frankfurt oder einer ihrer Filialen in den Bundesländern landet. Ist eine Euro-Münze wirklich beschädigt, so erstattet die Bundesbank den Betrag - entweder bar oder per Überweisung. Ist eine Beschädigung nicht offensichtlich, gibt es bei der Bundesbank eine eigene Abteilung: das "Nationale Analysezentrum für beschädigtes Bargeld". "NU-Münzen" wird das Geld jetzt genannt, wobei NU für "nicht umlauffähig" steht. NU-Münzen werden von der Bundesbank per Geldtransporter zu den Münzprägeanstalten gebracht. Hier sollen sie vernichtet werden, in dem sie durch einen Metallschredder gejagt werden. Solche Geräte - sogenannte "Decoiner" - verwalzen die Münzen, der Schrott weist Spuren wie Wellpappe auf. Die Bundesbank betont, dass sie mit der Vernichtung des Geldes nichts mehr zu tun hat.

Anschließend übernimmt das Verwertungsunternehmen des Bundes, die VEBEG das Altmetall und versteigert es. Jeder kann den Metallschrott kaufen. Auch Kriminelle.

Die Mitarbeiter der Bundesbank hielten es bislang nicht für möglich, dass die verwalzten Geldreste noch zusammengesetzt werden können.

Die Fälscher verstanden es aber doch. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft spricht von Euro-Münzen, bei denen lediglich der silberne Kern und der goldene Ring getrennt waren. Aber auch von Münzen, die deutliche Entwertungsspuren aufwiesen. Die Gauner setzten die Teile wie ein Puzzle wieder zusammen. Offenbar nicht nur in China, sondern auch in Deutschland, denn die deutschen Fahnder haben eine Maschine gefunden, mit der die Münzen hier zusammengesetzt wurden.

Die Münzen, die in China angefertigt wurden, sollten nach Deutschland, zum Umtausch. Aber wie? Das Netzwerk konnte vier Flugbegleiter der Lufthansa gewinnen. Der Vorteil: Das Bordpersonal hat keine Gewichtsbeschränkung beim Reisegepäck. Die Flugbegleiter achteten darauf, dass nur Münzen im Wert unter 10 000 Euro im Koffer war - so mussten sie ihre Fracht nicht beim Zoll anmelden.

Und so kam das zusammengesetzte Geld irgendwann in Frankfurt bei der Bundesbank an. Die Betrüger tauschten das Falschgeld als angeblich beschädigte Münzen um. Damit der Schwindel nicht aufflog, nutzten sie die Lücken im Kontrollsystem der Bundesbank. Große Münzmengen können in Säcken, sogenannten "Safebags", eingereicht werden. Die Säcke werden offenbar häufig nur abgewogen und höchstens von außen begutachtet. Die Safebags können im Internet gekauft werden und sind normiert für Ein- oder Zwei-Euro-Münzen im Wert von jeweils 1000 Euro. Um ihren Schrott zu tarnen, mischten die Gauner nach Erkenntnissen der Ermittler gültige Münzen in den Sack. Eine Prüfung durch die Experten beim "Nationalen Analysezentrum für beschädigtes Bargeld" ist offenbar nicht erfolgt. Eine Abendblatt-Anfrage beim Zentrum ergab, dass ohnehin nur etwa ein Prozent der Fälle von den Experten nachgeprüft wird. Da die Beschuldigten auch noch originale Münzbestandteile nutzten, war die Prüfung am Schalter schwer. Die Bundesbank verteidigt ihre Praxis des Geldumtauschs: Die Safebags manuell zu bearbeiten bedeute einen "erheblichen Arbeitsaufwand". 70 000 Tonnen an Münzen werden jährlich bei der Bundesbank und ihren sieben Filialen eingezahlt.

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft erklärte, dass die Münz-Bande keinen Verbündeten in der Bundesbank gehabt hätte. Die Beschuldigten, die jetzt in Untersuchungshaft sitzen, sollen wegen Betrugs und auch wegen Inverkehrbringens von Falschgeld vor Gericht.