CDU im Norden flirtet nach FDP-Absturz mit der Öko-Partei. Andernfalls gibt es nur noch die Möglichkeit von Bündnissen mit der ungeliebten SPD

Kiel/Hannover. Die CDU im Norden mischt die Koalitionskarten neu. Nach dem politischen Absturz der FDP können sich immer mehr Christdemokraten vorstellen, nach den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein (Mai 2012) und Niedersachsen (Jahreswechsel 2012/13) mit der Öko-Partei zu regieren. In Schleswig-Holstein wäre das durchaus möglich, in Niedersachsen nicht undenkbar. "Die CDU in Schleswig-Holstein geht natürlich mit dem Ziel in die Wahl, die schwarz-gelbe Koalition fortzusetzen", sagte Landesgeschäftsführer Daniel Günther. Gelinge das nicht, sei die CDU für andere Bündnisse offen. "Die Grünen wären dann für uns ein Ansprechpartner."

Hinter der Charmeoffensive steckt Kalkül. Die CDU dürfte bei der Wahl bestenfalls 35 Prozent erhalten und bräuchte einen Koalitionspartner, der mindestens zehn Prozent holt. Das wird der FDP derzeit nicht zugetraut, wohl aber den Grünen. Ohne sie bliebe der CDU nur ein Bündnis mit der ungeliebten SPD.

"Die CDU darf nicht in eine Lage geraten, in der sie allein zu Haus ist", sagt Günther. Völlig verbiegen müsste sich die Nord-Union für ein schwarz-grünes Bündnis nicht. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat einen guten Draht zu den Grünen, Spitzenkandidat Christian von Boetticher bemüht sich darum. Umstritten sind einige große Verkehrsprojekte, etwa der Fehmarnbelt-Tunnel. In der Finanz- und Bildungspolitik gibt es dagegen Schnittmengen zwischen der nur noch begrenzt bäuerlichen CDU und den inzwischen pragmatischen Grünen.

Die Grünen bleiben skeptisch, erinnern daran, dass die CDU Schwarz-Grün nach dem Bruch in Hamburg totgesagt und die Öko- als "Dagegen-Partei" hingestellt habe. "Es ist klar, dass wir jetzt umgarnt werden", sagt Fraktionschef Robert Habeck. "Wir haben einen eigenen Kurs und schauen nach der Wahl, was mit wem geht oder nicht." Näher stehen die Grünen der SPD. Im Landeshaus gilt Schwarz-Grün gleichwohl als Modell, falls SPD und Grüne keine Mehrheit erhalten.

In Niedersachsen hatte die FDP bei der Landtagswahl 2008 sogar noch knapp vor den Grünen gelegen. Wie sehr die Diskussion über die weitere Nutzung der Atomkraft auf die Stimmung im Land durchschlägt, wird die Kommunalwahl im September zeigen. Sensibel ist die Bevölkerung dafür nicht nur wegen der drei Atomkraftwerke im Land, sondern mehr noch wegen der diversen Endlagerprojekte. Da ist das marode Atomendlager Asse bei Wolfenbüttel, das genehmigte neue Endlager für schwach radioaktiven Müll in Salzgitter und vor allem Gorleben. Solange die CDU an der weiteren Erkundung des Salzstocks im Wendland auf Eignung als Endlager für hoch radioaktiven Müll festhält, stehen die Grünen unter keinen Umständen als Mehrheitsbeschaffer zur Verfügung. Stefan Wenzel, Grünen-Fraktionschef, sieht aber bei Gorleben Bewegung in den anderen Fraktionen: "Es wird spannend, welche Konsequenzen die CDU aus den Wahlergebnissen für ihre Energiepolitik zieht."

Björn Thümler, CDU-Fraktionschef, nennt die massiven FDP-Verluste mit Blick auf die Koalitionsmehrheit und die Landtagswahl "einen Anlass zur Sorge". Erstes Ziel aus seiner Sicht: "Die CDU muss stärkste Partei in Niedersachsen bleiben und dann wird man sehen, wobei die FDP unser Lieblingskoalitionspartner ist." Sieht man von der Atompolitik ab, gibt es auch in Niedersachsen keine unüberwindlichen Hindernisse für Schwarz-Grün. In der Schulpolitik ist ein parteiübergreifender Kompromiss erst vor wenigen Wochen nicht an der CDU, sondern der FDP gescheitert, die den Gesamtschulen Chancengleichheit verwehrt, um die Gymnasien zu schützen.