Bei der Wehrreform steht Guttenbergs Nachfolger vor einer großen Aufgabe

Hamburg. Nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) liegt die Bundeswehrreform nicht auf Eis. Wie das Abendblatt aus Kreisen des Verteidigungsministeriums erfuhr, laufe der Prozess weiter, damit der Nachfolger entscheidungsreife Vorlagen vorfinde. Aktueller Vorgang: Bis Mitte März sollen Stellungnahmen der Personalvertretungen zu einem Eckpunktepapier über den Umbau des Ministeriums eingeholt werden. "Das Haus arbeitet weiter, die Reform ist nicht allein von der Person des Ministers abhängig", hieß es aus dem Ministerium.

Der Rücktritt des Verteidigungsministers fällt in eine kritische Phase der Bundeswehrreform. Wie gestern bekannt wurde, droht der Truppe möglicherweise ein Soldatenmangel, wenn die Wehrpflicht endgültig wegfällt.

Die "Financial Times Deutschland" berichtet in ihrer Dienstagsausgabe, dass dem für April gemeldeten Bedarf von 3077 freiwillig länger Dienenden Anfang Februar erst 306 Freiwillige gegenübergestanden hätten. Hinzu komme eine niedrige dreistellige Zahl gemusterter Wehrpflichtiger, die auch ohne Zwang zum Dienst antreten wollen.

Die Zahl der Freiwilligen bleibe nach der faktischen Aussetzung der Wehrpflicht drastisch hinter dem Bedarf der Streitkräfte zurück, schreibt die Zeitung und zitiert Statistiken des Verteidigungsministeriums. Dort wollte man diese Zahlen nicht bestätigen.

Auf ein Informationsschreiben an 162 000 tauglich Gemusterte sowie Abiturienten und Fachoberschüler des Jahrgang 2011 hätten rund 7000 junge Männer "konkretes Interesse" am freiwilligen Dienst bekundet, hieß es aus dem Ministerium. Gesucht würden vor allem Soldaten der Mannschaftsdienstgrade, von denen man im Jahr rund 12 000 Freiwillige benötige.

Um das Interesse junger Männer und Frauen für die Bundeswehr zu wecken, seien im aktuellen Jahr 5,7 Millionen Euro für Eigenwerbung geplant, knapp 5,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Großteil des Geldes fließe in eine Anzeigenkampagne in Fernsehen, Radio und Zeitungen mit dem Ziel, Mannschaftsdienstgrade zu gewinnen.

Ob das für die Nachwuchsrekrutierung reicht - das muss nun der Nachfolger von Guttenberg klären. Mit der Bundeswehrreform erbt er eine Aufgabe, die der Quadratur des Kreises gleicht. Die Wehrpflicht läuft Mitte des Jahres aus, die Bundeswehr soll auf 185 000 Soldaten verkleinert werden und das Ministerium von 3100 auf 2000 Dienstposten schrumpfen. Währenddessen sollen bis 2014 mehr als acht Milliarden Euro eingespart werden. Ein Ziel, dass Guttenberg mehrfach infrage gestellt hatte.

"Auch der neue Verteidigungsminister muss für eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Streitkräfte kämpfen", sagte gestern der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch, in Berlin. Dabei müsse ein besonderes Augenmerk auf die Attraktivität des Dienstes in der Bundeswehr gelegt werden. Ähnlich äußerten sich im Laufe des Tages der Reservistenverband und der Wehrbeauftragte des Bundestags, Helmut Königshaus (FDP). "Nun ist es erforderlich, dass die von Karl-Theodor zu Guttenberg angeschobene Bundeswehrreform zügig, aber nicht überstürzt weitergeführt wird", sagte Königshaus.

Fachpolitiker der Oppositionsparteien forderten hingegen einen Neustart der Reform. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold erklärte, der Rücktritt sei eine Chance, Fehler zurückzunehmen und "die Reform wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen". Sein Kollege von den Grünen, Omid Nouripour, erwartet vom Nachfolger, die Bundeswehrreform "neu anzugehen".

In der Generalität breitet sich derweil laut Nachrichtenagentur dapd das "große Bangen um die gute Fortsetzung" der Bundeswehrreform aus. Zuerst habe das "kühl kalkulierte Manöver" Guttenbergs, die Sparzwänge zu nutzen, um die Bundeswehr radikal umzubauen, "schon Eindruck auf uns gemacht", erläuterte ein General der Agentur. Aber bald habe sich eine "gewisse Angst eingeschlichen, dass der Minister mehr auf Tempo Wert legt als auf seriöses Vorgehen". Die Generäle hätten ihm angesichts seiner Beliebtheit bei den Bürgern "lieber nicht widersprechen wollen".

Ob ein ähnlich durchschlagskräftiger Nachfolger gefunden wird, ist offen. Fest steht: Guttenberg hat ein Reformgerüst hinterlassen, der nächste Minister muss auf der Baustelle Bundeswehr richtig schuften.