Euro-Staaten folgen der Bundeskanzlerin. Widerstand kommt aus der eigenen Koalition

Brüssel. Die Staaten der Euro-Zone nehmen Kurs auf eine gemeinsame Wirtschaftsregierung. Damit folgen sie einem Plan von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), mit dem die Staatengemeinschaft künftig vor einer Instabilität des Euro und Schuldenkrisen bewahrt werden soll. Bei dem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel wurde damit vereinbart, eine Harmonisierung der Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der Euro-Staaten anzustreben.

Der Plan für eine Wirtschaftsregierung werde in das Gesamtpaket für eine Reform der Euro-Zone aufgenommen, teilte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy mit: "Die verstärkte Koordinierung der Wirtschaftspolitik addiert sich zu dem Finanzpaket", erklärte er. Der ständige EU-Ratspräsident hat den Auftrag, für den März-Gipfel einen Reformvorschlag für die Währungsunion auszuarbeiten. Ziel sei eine bessere Wettbewerbsfähigkeit des Euro-Raums, sagte Van Rompuy.

Die Bundeskanzlerin hatte gemeinsam mit Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy einen Plan präsentiert, wonach die Euro-Staaten sich künftig gemeinsamen Zielen bei Löhnen, Renten und Steuern unterwerfen sollen. Kleinere Länder wie Belgien und Österreich kritisierten den Vorstoß. Van Rompuy sagte dazu: "Heute hat es sich um einen Meinungsaustausch gehandelt." Der Gipfelchef rief die Staaten dazu auf, trotz der aktuellen Abschwächung der Euro-Krise bei den Reformbemühungen nicht nachzulassen: "Wir müssen den Schwung bewahren, um ein Gesamtpaket zu erreichen, das ambitioniert genug ist." Die Details müssen in den kommenden Wochen ausgehandelt werden.

In Berlin stößt Merkel mit ihrem Plan jedoch auf Kritik. So lehnt FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms eine europäische Wirtschaftsregierung ab. "Die FDP hat in der Koalition klar zum Ausdruck gebracht, dass es keine Vergemeinschaftung von Schulden und Verantwortung in Europa geben darf", sagte Solms dem Hamburger Abendblatt. Der Markt wisse besser, welche Waren produziert werden müssen. "Wir brauchen keine Lenkung der Industrie durch eine zentralistische Bürokratie in Brüssel. Stattdessen sollten die Mitgliedstaaten der EU ihre Autonomie behalten, um gemeinsame Ziele wie Wachstum, Wettbewerb, Währungsstabilität und eine ehrgeizige Bildungspolitik zu erreichen", sagte der FDP-Politiker. Er sprach sich aber klar für eine europäische Bankenaufsicht aus. Diese solle jedoch nur international agierende Kreditinstitute kontrollieren.

Eine gemeinsame Bankenaufsicht durch die EU ist auch für den deutschen Wirtschaftsweisen Peter Bofinger eine zentrale Forderung an die Politiker in Brüssel. "Was Europa braucht, ist ein einheitliches Kontrollsystem für private Banken. Denn diese tragen die Hauptschuld an der Finanzkrise und der daraus entstandenen öffentlichen Verschuldung", sagte Bofinger dem Abendblatt.

Bofinger kritisierte den von Deutschland geforderten Pakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit der Euro-Zone, mit dem unter anderem die Schuldenbremse auf alle 17 Euro-Staaten ausgedehnt würde. "Die Schuldenbremse hätte die Krise nicht verhindert", sagt Bofinger. Sie habe zudem einen fatalen Fehler, denn der Staat kann per Grundgesetz nicht mehr als Investor tätig werden, wenn er dafür Kredite aufnehmen müsste. "Einerseits klagen die Deutschen über Bahnchaos und Schlaglöcher, andererseits hat unsere Volkswirtschaft Geldersparnisse von 120 Milliarden Euro netto pro Jahr, die man dem Staat für Investitionen geben könnte", hob Bofinger hervor.

Unterstützung bekam die Kanzlerin vom stellvertretenden Unionsfraktionschef und Wirtschaftsexperten Michael Fuchs. Es müsse eine nachhaltige Stabilität des Euro erreicht werden, sagte Fuchs dem Abendblatt. "Und das bekommen wir nur, wenn die Wirtschaftspolitik der EU-Mitgliedstaaten abgestimmt wird." Es könne nicht sein, dass in einem Land mit 57 Jahren in die Rente gegangen wird und in einem anderen mit 67, hob der CDU-Politiker hervor. Fuchs forderte zugleich Sanktionsmaßnahmen für Euro-Staaten, die nicht die Maastricht-Kriterien erfüllen. "Alle Länder, die im Euro sind, sind verpflichtet, die Maastricht-Kriterien einzuhalten und die Staatsverschuldung zu senken. Ich halte es für dringend notwendig, dass wir das auch durchsetzen", sagte Fuchs.

Dem deutschen Energiekommissar Günther Oettinger brachte der EU-Gipfel Rückendeckung für die Schaffung eines Energie-Binnenmarktes. Die Mitgliedstaaten bekannten sich zu dem Ziel, die nationale Abschottung bis zum Jahr 2014 zu beseitigen. Dann sollen Gas und Strom frei fließen können. Der Weg ist allerdings noch weit.

Auch der Aufbau von transnationalen Gas- und Stromleitungen soll vorangetrieben werden. Dazu sollen die nationalen Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Die Kommission wird dazu Vorschläge unterbreiten. Die EU-Mitglieder bekennen sich zudem dazu, dass ab 2015 kein Staat mehr vom europäischen Netz isoliert oder in seiner Energieversorgung gefährdet sein darf. Vor allem die Privatwirtschaft soll die Investitionen für den Aufbau der Energie-Infrastruktur finanzieren. Der Investitionsbedarf im europäischen Energiesektor wurde von der EU-Kommission auf eine Billion Euro bis 2020 beziffert.