Mark Kennedy hat in linker Szene offenbar als Agent Provocateur gearbeitet

Hamburg. Der Mann, der sich die linke Szene Europas zum Feind gemacht hat, sieht auf Fotos aus wie ein echt netter Kerl. Ein Kumpeltyp mit Bart, langen Haaren, Ohrringen, einer Sonnenbrille und einem verschmitzten Grinsen im Gesicht, jemand, mit dem man ohne Weiteres ein Bier trinken gehen und über Fußball oder Surfen plaudern würde. Umweltschützern, Globalisierungskritikern und militanten Tierschützern in England stellte sich der Mann als Mark Stone vor, er arbeite als freiberuflicher Kletterer, sagte er. Seinen echten Namen wie auch seinen wahren Arbeitgeber verschwieg Stone jedoch lieber. Denn Stone, das enthüllte die britische Zeitung "Guardian" vor einigen Tagen, hieß in Wahrheit Mark Kennedy und arbeitete seit 2003 für Scotland Yard als Undercover-Agent.

Stone alias Kennedy legte in der Szene hoch motiviert los, organisierte aktiv die Besetzung von Kraftwerken oder auch die Kaperung eines Kohlezugs. Dank seines Engagements und seiner Finanzmittel spielte Stone bald in zahlreichen linksbewegten Gruppen in mehreren europäischen Ländern eine Rolle - laut "Guardian" auch in Deutschland. So soll er unter anderem an den Protesten gegen den G8-Gipfel von Heiligendamm 2007 aktiv teilgenommen haben.

Wie sich jetzt zeigt, fand dieser Einsatz offensichtlich mit dem Wissen des Bundeskriminalamts und im Auftrag mehrerer deutscher Landesregierungen statt. Das bestätigen Teilnehmer einer vertraulichen Sitzung des Innenausschusses dem Hamburger Abendblatt. In der Sitzung sollte der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, erklären, was es mit dem Einsatz des verdeckten Ermittlers auf sich habe. "Ziercke hat bestätigt, dass der britische Ermittler vom LKA Mecklenburg-Vorpommern und vom LKA Baden-Württemberg angefordert worden ist", berichtet ein Teilnehmer. Einem weiteren Teilnehmer zufolge sagte Ziercke, dass das BKA für Landeskriminalämter den Kontakt zu den britischen Stellen und zu Kennedy hergestellt habe.

Der Einsatz des smarten Kennedy ist heikel, denn möglicherweise war der Brite nicht nur als Beobachter, sondern als Agent Provocateur unterwegs, also als jemand, der zu Straftaten aufhetzt. Berichten zufolge könnte er sogar selbst gegen das Gesetz verstoßen haben. In Heiligendamm soll er sich an einer Straßenblockade beteiligt haben, in Berlin war er angeblich in eine Brandstiftung an einem Müllcontainer involviert.

Unklar ist, ob der BKA-Chef in der Ausschuss-Sitzung diese Vergehen und Regelverstöße eingeräumt hat. So will sich ein Teilnehmer aus Oppositionskreisen an die Aussage Zierckes "Der ist uns aus dem Ruder gelaufen" erinnern. Ein anderer Anwesender wiederum erklärte dem Abendblatt, Ziercke habe immer darauf verwiesen, dass er nichts Genaues über den Fall wisse. Zuständig seien die Bundesländer, in denen der Agent gearbeitet habe. Ziercke habe aber betont, dass ein solches Vorgehen gegen die Regeln für verdeckte Einsätze verstoße. Der Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte dem Abendblatt, verdeckte Ermittler dürften keine Straftaten begehen. Mehr wolle er "aus einsatztaktischen Gründen" nicht zu dem Thema sagen.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, die ebenfalls Mitglied im Innenausschuss ist, zeigte sich im Abendblatt empört über die Antworten des BKA-Präsidenten. "Meiner Meinung nach sind wir von ihm hingehalten worden", sagte Jelpke. Das BKA müsse jetzt aufklären, ob durch den verdeckten Ermittler Straftaten begangen oder verhindert worden seien. "Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass Ziercke als Chef des BKA keine genauen Informationen darüber hat." Weiteren Aufklärungsbedarf fordert auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Gerold Reichenbach: "Die offen gebliebenen Fragen müssen nun in den zuständigen Ländern geklärt werden." Die Linksfraktion im Schweriner Landtag verlangte gestern von Innenminister Lorenz Caffier (CDU), den Innenausschuss unverzüglich über den Einsatz des Briten zu informieren. Auf Anfrage des Abendblatts wollte sich das Innenministerium nicht zu den Vorwürfen äußern. Kennedy bat inzwischen laut BBC seine ehemaligen Mitstreiter um Verzeihung. So ganz traute er ihrer Vergebung aber wohl nicht: Angeblich hat sich Kennedy in die USA abgesetzt.