Die Mutter der verstorbenen Offiziersanwärterin sucht nach Antworten und bekommt sie nicht

Angelika Seele möchte tapfer sein, aber sie schafft es nicht in jedem Augenblick, in dem sie mit dem Tod ihrer Tochter Sarah Lena Seele konfrontiert wird. Durch die Berichte über eine Meuterei von Offiziersanwärtern auf der "Gorch Fock" kommt der Schmerz zu ihr zurück. Sie ist aufgewühlt und kämpft mit den Tränen, wenn sie über ihre tote Tochter spricht.

Sarah Lena war aus 27 Meter Höhe aus der Takelage des Segelschulschiffes gestürzt. Es war für die junge Frau aus Bodenwerder (Weserbergland) nach einer 20-stündigen Anreise von Deutschland nach Brasilien im Hafen von Salvador da Bahia erst der zweite Tag an Bord, als sie im Rahmen ihres Offizierslehrgangs in die Segel geschickt wurde.

Angelika Seele quält sich seitdem mit Fragen nach dem Warum und dem Wie. Antworten bekomme sie von der Marine nicht, wie sie sagt. "Die halten mich hin. Wissen Sie, was das für eine psychische Belastung ist?"

Sie hofft, dass "jetzt alle Dinge ans Tageslicht kommen". Die Vorwürfe wiegen schwer: Von sexueller Belästigung, von Bedrohungen und enormem Druck ist die Rede. Und nach dem Tod von Sarah Lena Seele ist es offenbar zu Konflikten zwischen Stammbesatzung und Offiziersanwärtern gekommen.

Doch das Verhältnis zwischen denen, die zur Stammcrew gehören, und jenen, die zu Ausbildungszwecken an Bord kommen, soll gerade auf diesem Schiff für die Rekruten schon immer unangenehm gewesen sein.

So berichtet ein ehemaliger Kadett: "Der Habitus der Stammcrew ist sehr laut, sehr fordernd, sehr angreifend und sehr weisend." Angelika Seele sagt, sie habe geahnt, dass bei der Marine nicht alles wirklich so toll sei, wie es nach außen immer scheine. Ihre Tochter sei zielstrebig und willensstark gewesen, und sie sei ihren eigenen Weg gegangen. Aber irgendwann im letzten Herbst habe Sarah Lena Seele über die Marine zu ihr gesagt: "Mama, du weißt ja gar nicht, was da los ist."

Als Mutter könne sie am Ende einzig nur verzweifeln über das, was die Marine in Bezug auf den Tod ihrer Tochter getan oder eben nicht getan habe. So habe es an diesem Novembertag, als ihre Tochter um 10.27 Uhr so schwer verunglückt sei, bis 20.48 Uhr gedauert, bis die Marine ihr als Mutter überhaupt Bescheid gegeben habe.

Unfassbar sei für Angelika Seele auch, dass nur zwei Tage nach dem Tod von Sarah Lena auf der "Gorch Fock" Karneval gefeiert worden sei: "Wenn ich meine Tochter besuchen will, muss ich ans Grab gehen, und die feiern Karneval und da wird rumgesoffen und rumgekaspert? Da werde ich verrückt." Und dann habe sich der Kommandant der "Gorch Fock" später in einem Interview abfällig über die Kletterfähigkeiten seiner Rekruten geäußert. Schatz sagte seinerzeit: "Als Junge bin ich auf Kirschbäume im Garten des Nachbarn geklettert und war auch schnell genug wieder runter, wenn der kam. Die motorischen Fähigkeiten haben abgenommen, die Jugend sitzt nicht mehr im Kirschbaum, sondern eher vorm Computer." Angelika Seele fragt wütend und weinend: "Eine Mutter verliert ihr Kind, dafür gibt es keine Steigerung mehr. Aber diese Worte vom Kommandanten waren wie ein Schlag ins Gesicht für mich. Was ist denen ein Menschenleben noch wert?"