Strittige Themen werden als Paket verhandelt. Konflikte sind weiter programmiert

Berlin. Ronald Pofalla hat einen neuen Job. Und den hat ihm seine Chefin Angela Merkel persönlich verordnet. Künftig muss der Kanzleramtschef mitschreiben, wenn die Koalitionsspitzen zu ihren Beratungen zusammenkommen. Das Protokoll der Entscheidungen soll nach den gemeinsamen Sitzungen der Bundeskanzlerin und den Parteichefs Guido Westerwelle (FDP) und Horst Seehofer (CSU) ausgehändigt werden. So kann jeder alle Beschlüsse noch einmal nachlesen, wenn er sich hinterher nicht mehr sicher ist.

Nach den jüngsten Missverständnissen im Steuerstreit will Merkel ganz sicher gehen, dass es nicht wieder zu ähnlichen Querelen kommt wie in der vergangenen Woche: Die FDP wollte ihre geplante Steuererleichterung durchsetzen und hatte sich auf Beschlüsse des letzten Koalitionsausschusses berufen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte die Absprachen jedoch anders in Erinnerung als die Liberalen. Der Zwist war da, eine Einigung konnte erst am Mittwoch erfolgen.

So etwas soll künftig nicht mehr vorkommen. Nicht angesichts zahlreicher thematischer Baustellen, mit denen Schwarz-Gelb derzeit hadert. Und schon gar nicht angesichts des anstehenden Superwahljahrs. Einen Monat vor der ersten Wahl des Jahres in Hamburg ist das Bild einer Streitkoalition nicht das, was die Kanzlerin gern nach außen tragen möchte. Pofallas neuer Job ist da ein erster Schritt.

Die zweite Maßnahme heißt Ordnung. Beim Koalitionsausschuss am späten Donnerstagabend beauftragten die Parteispitzen ihre Generalsekretäre, die nächsten Regierungsvorhaben nach politischen Schwerpunkten zu sortieren. Strittige Punkte sollen nicht mehr einzeln, sondern als Paketlösung geklärt werden. Und so einigte man sich nach der bislang kürzesten Sitzung der Koalitionsspitzen darauf, sich vorerst nicht zu einigen. Die Kompromisssuche ist erst einmal vertagt.

Strittigster Punkt ist derzeit wohl die Vorratsdatenspeicherung. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte zu Beginn der Woche ein Eckpunktepapier vorgestellt, das Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nicht weit genug geht. Die Justizministerin will ohnehin bei den Telekommunikationsunternehmen vorhandene Daten künftig beim "Anfangsverdacht" einer Straftat nach dem sogenannten Quick-Freeze-Verfahren sichern. Wenn Richterbeschlüssevorliegen, sollen sie für Ermittlungen genutzt werden können. CDU und CSU lehnen das als unzureichend ab und verlangen gesetzlich festgelegte Mindestspeicherfristen.

"Die Justizministerin hat mit ihrem Eckpunktepapier einen Vorschlag gemacht. Jetzt muss man sich auf der Unionsseite Gedanken über Kompromissmöglichkeiten machen", forderte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP im Bundestag, Christian Ahrendt, im Abendblatt. Auch er drängt auf eine Paketlösung: "Wir wollen die Vorratsdatenspeicherung zusammen mit dem Gesetz zur Terrorismus-Bekämpfung diskutieren, das bald zur Überprüfung ansteht und das die Union gerne verlängern möchte", sagte Ahrendt, der gleichzeitig rechtspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist.

Auch die Beratungen über die geplante Fusion von Bundespolizei und Bundeskriminalamt soll nach dem Willen der Liberalen zum Paket gehören. Anders sieht es jedoch die Bundeskanzlerin. Wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, will die Union die Datenspeicherung zusammen mit dem Projekt der Visa-Warndatei verhandeln. Das, so Ahrendt, lehne die FDP ab. Auch wenn hier neuer Streit programmiert sein dürfte, rechnet er jedoch mit einer Einigung noch vor der Sommerpause. "Die Positionen sind bei der Vorratsdatenspeicherung eben konträr. Man muss trotzdem sehen, dass man zu guten Ergebnissen kommt." Konträr sind die Vorstellung auch bei der Fachkräfte-Zuwanderung, dem Euro-Rettungsschirm oder der Frage, ob man Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten sperren oder löschen sollte.

Die Opposition kritisierte das Aufschieben der Entscheidungen scharf. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann bezeichnete die Ergebnisse des Koalitionsausschusses als enttäuschend. "Kein einziges der vielen drängenden Probleme wurde gelöst", mokierte er. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warf der Regierung Untätigkeit vor. Auch aus den eigenen Reihen gab es Kritik. FDP-Politiker Ahrendt mahnte: "Die Koalition sollte ihre Erfolge besser herausstellen und weniger ihre Streitigkeiten zelebrieren."