Niedersachsens neuer Agrarminister Gert Lindemann war auch schon Aigners Staatssekretär

Hannover. Für Gert Lindemann gab es statt der üblichen 100 Tage nur eine Schonfrist von fünf Minuten, gerechnet ab der Vereidigung am gestrigen Vormittag. Dann stand der neue Landwirtschaftsminister von Niedersachen zum ersten Mal am Rednerpult im Landtag in Hannover, um mit einer Regierungserklärung die Wogen zu glätten im Dioxin-Skandal. Von Aufregung war da bei ihm nichts zu spüren, und das aus gutem Grund: Der 63-jährige Lindemann (CDU) gilt als einer der Agrarexperten schlechthin in der deutschen Bürokratie und gelernt hat er das genau in dem Ministerium, an dessen Spitze er jetzt überraschend steht.

Juristisches Staatsexamen mit Prädikat, Jugendrichter in Gifhorn und dann 1979 der Wechsel ins Ministerium, persönlicher Referent des Ministers Gerhard Glup und dann die perfekte Beamtenkarriere: Referatsleiter, Abteilungsleiter und 2003 Staatssekretär und damit Amtschef. Und 2005 quasi als krönender Abschluss beruft ihn der neue Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) als Staatssekretär nach Berlin, die Expertise des Niedersachsen hat sich herumgesprochen.

Im Januar 2010 schickt dessen Nachfolgerin Ilse Aigner (CSU) ihn in den vorzeitigen Ruhestand, es ging da zum einen um sehr unterschiedliche Temperamente und zum anderen unterschiedliche Meinungen rund um das Thema Milchviehhaltung. Da sind die Interessen großer niedersächsischer Betriebe naturgemäß ganz andere als die von Bergbauern im Alpenland.

Künftig begegnet man sich auf gleicher Augenhöhe. Nicht einmal die Opposition bestreitet Lindemanns Kompetenz. Lindemann weiß aber auch, dass sie ihm genau auf die Finger sehen werden, ob er beim Verbraucher- und Tierschutz der Agrarindustrie auch Paroli bietet. Gestern warnte Lindemann in seiner ersten Rede "vor einer nostalgischen Verklärung traditioneller Produktionsweisen" und lehnte eine Agrarwende ab. Aber er sagt auch, sein Ministerium sei nicht nur für die Bauern zuständig, sondern für acht Millionen Niedersachsen.

Im Ministerium freuen sie sich nach den Turbulenzen um seine glücklose Vorgängerin Astrid Grotelüschen und dem Dioxin-Skandal, dass ein Mann kommt, der alle Fettnäpfchen kennt. Aber ein bisschen stöhnen sie auch: Lindemann gilt als Aktenfresser, zuweilen ist er sehr direkt und ungeduldig, daran ändert auch sein leutseliges Äußeres nichts. Lindemann hat drei Kinder, zwei Enkelkinder, ist Jäger, liebt klassische Musik und Reisen. Und seine Anzüge zeigen deutlich, dass er nicht eitel ist.