Außenminister bringt seine FDP auf Kurs und sichert Afghanistan Unterstützung zu

Islamabad/Kabul. Guido Westerwelle hat sich entschieden. Er will weitermachen, in allen drei Ämtern: als Parteivorsitzender der FDP, als Außenminister und Vizekanzler. Er habe sich in Anbetracht der großen Arbeitsbelastung Gedanken darüber gemacht, "ob ich genügend Kraft habe, die Aufgaben zu schultern", sagte Westerwelle der "Welt". Das Ergebnis: Er hat nicht nur die Kraft, sondern auch "die notwendige Begeisterung für die Politik und die liberale Sache". Er sei kein Mensch, der wegrennt, so der Minister, nur weil es der eigenen Lebensqualität guttun könnte.

In diesen Tagen bekommt Westerwelle zu spüren, was diese Entscheidung bedeutet. Erst musste der Parteivorsitzende am Donnerstag mit seiner Rede beim Dreikönigstreffen der FDP in Stuttgart darum kämpfen, die an ihm zweifelnde liberale Familie wieder hinter sich zu versammeln. In weiten Teilen gelang das. Westerwelle dürfte nun bis zum 11. April Ruhe haben: Dann wird die Parteispitze erstmals über die künftige Führung der FDP beraten. Auf dem Parteitag im Mai wird der Vorstand schließlich neu gewählt.

Nach der parteiinternen Herausforderung in Stuttgart wartete dann die nächste Aufgabe auf Westerwelle: In seiner Eigenschaft als Außenminister reiste er am Freitagabend nach Islamabad. Die Atommacht ist innenpolitisch äußerst instabil. Zudem gilt das Grenzgebiet zu Afghanistan als wichtigstes Rückzugsgebiet von islamistischen Terroristen - und der pakistanische Geheimdienst ISI als Unterstützer der afghanischen Taliban. Deshalb mahnte Westerwelle die Regierung in Islamabad, "den Kampf gegen den Terrorismus mit großer Entschlossenheit fortzuführen" - mit größerer als bisher, so lässt sich diese diplomatische Formel verstehen.

Bevor er sich allerdings bei Ministerpräsident Yusuf Raza Gilani, Außenminister Schah Mehmood Qureshi und Armeechef Ashfaq Kayani für eine "dauerhafte Stabilisierung" Pakistans und Afghanistans einsetzen konnte, galt es, meteorologischen Unbill zu bewältigen. Weil die Hauptstadt Islamabad in dichten Nebel gehüllt war, musste Westerwelle im rund 400 Kilometer entfernten Lahore aus dem Regierungs-Airbus steigen. Ein Weiterflug nach Islamabad schied wegen Nebels aus. Nach vierstündiger Wartezeit stieg Westerwelles Delegation auf vier klapprige Kleinbusse um. Sechs Stunden dauerte die Fahrt in die Hauptstadt - zwischen Eselskarren, streunenden Rindern und Motor-Rikschas. Westerwelle hielt per Mobiltelefon ständig Kontakt zu seinem pakistanischen Kollegen Qureshi ("Hello, this is Guido again"), der ihn beruhigte: Man werde die geplanten Gespräche trotz der Verspätung schon noch hinbekommen.

Die politische Gespräche fanden dann mit zehnstündiger Verspätung tatsächlich noch statt. Bis Mitternacht traf Westerwelle Außenminister Qureshi und Armeechef Kayani, am Sonntagmorgen Ministerpräsident Gilani. Der Verspätung zum Opfer fiel allerdings der geplante Besuch von verschiedenen Hilfsprojekten in der Umgebung Islamabads, mit denen Deutschland die Opfer der Flutkatastrophe unterstützt. 35 Millionen Euro hat die Bundesregierung dafür bereitgestellt.

Gestern Nachmittag flog der Außenminister in die afghanische Hauptstadt weiter, um dort Präsident Hamid Karsai, dessen Sicherheitsberater Rangin Spanta sowie Außenminister Zalmay Rassoul zu treffen.

Noch in diesem Monat soll der Bundestag ein neues Mandat für den Bundeswehreinsatz am Hindukusch beschließen. Westerwelle hat dem Parlament in Aussicht gestellt, die ersten von derzeit bis zu 5350 deutschen Soldaten Ende des Jahres aus Afghanistan abzuziehen - sofern die Lage es erlaubt. Damit die Lage es erlaubt, galt es, nun Druck zu machen auf Karsai, um ihn zu mehr Tempo und Entschiedenheit bei den versprochenen Reformen zu drängen. Westerwelle fragte den Stand des politischen Aussöhnungsprozesses mit den Taliban ab und sprach die Defizite bei Korruptionsbekämpfung, guter Regierungsführung und Menschenrechten an.

Gleichzeitig hatte er aber auch einen "Beitrag zu wirtschaftlicher und politischer Stabilität Afghanistans" dabei: Dem Land werden von der Bundesrepublik sämtliche Schulden in Höhe von rund 13 Millionen Euro erlassen. Westerwelle und Karsai unterzeichneten ein entsprechendes Abkommen. Außerdem versicherte Westerwelle seinen Gastgebern, Deutschland werde Afghanistan auch nach der für 2014 geplanten Übergabe der Sicherheitsverantwortung "nicht alleinlassen".

Afghanistan, Pakistan, Dreikönig: All das war für Westerwelle nur ein Vorgeschmack auf die kommenden, harten Monate. Denn neben den im Frühjahr anstehenden Landtagswahlkämpfen in vier Bundesländern, in denen sich der FDP-Chef massiv engagieren will, und den regulären Aufgaben als Chefdiplomat, wartet auch noch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf Westerwelle. Dort ist Deutschland seit dem 1. Januar nicht ständiges Mitglied.

Für den Außenminister sei das eine neue Herausforderung, prophezeite der frühere deutsche Botschafter in den USA Wolfgang Ischinger: "Jetzt muss sich Deutschland äußern und abstimmen - auch in all den weltweiten Konfliktfeldern, bei denen man zuvor schlicht schweigen konnte." Mit dem Referendum in Sudan wartet schon die erste Bewährungsprobe auf den Neuling im wichtigsten Rat der Uno.

Guido Westerwelle, so viel scheint nach den Erfahrungen dieser Tage und vor den neuen Herausforderungen jedenfalls sicher, muss seinen Einsatz als Mann an allen Fronten fortsetzen. "Es liegt noch vieles im Argen", stellte Westerwelle zum Abschuss seines Besuchs in Kabul fest, "deshalb gibt es viel zu tun." Nicht nur in Afghanistan.