Eigentlich soll es keine Führungsdebatte in der CSU geben. Doch Seehofer schließt eine Kandidatur um Vorsitz gegen Guttenberg nicht aus

Wildbad Kreuth. Gutes Schuhwerk ist etwas wert, im bayerischen Schnee ebenso wie im afghanischen Wüstensand. Das mag sich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gedacht haben und erschien zur traditionellen Winterklausur der CSU im oberbayerischen Wildbad Kreuth genau in jenen blassbeigen Stiefeln, mit denen er sich sonst gern am Hindukusch fotografieren lässt. Dabei sind es vom Dienstwagen hinauf zum Schloss nur ein paar Schritte. Ist Kreuth für Guttenberg ein Krisengebiet?

Mitnichten, sollte man meinen. Wäre da nicht eine Sache. Vor wenigen Monaten bewegte die Frage, ob in Zukunft nicht besser er die CSU führen solle, wochenlang Partei und Öffentlichkeit. Erst nach dem Parteitag im Oktober, auf dem sich der Vorsitzende Horst Seehofer und Guttenberg demonstrativ kameradschaftlich zeigten, verstummte die Debatte. Ausgerechnet zum Treffen der Landesgruppe mit Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist das Thema wieder da. Schuld ist eine Umfrage. Nur wegen Guttenberg habe die CSU einen kleinen Höhenflug, so lautete das Fazit des Chefs des Meinungsforschungsinstituts Emnid am Tag vor Kreuth.

Die ermittelten 45 Prozent haben die Partei beinahe in einen Zustand der Euphorie versetzt. Egal, welcher Politiker das Schlösschen im Schatten der bayerischen Alpen betritt, er verweist mit Strahlen auf das Umfrageergebnis. Auch der Chef. "Wir sind gut drauf, wir sind gut beieinander", sagt Horst Seehofer bei seiner Ankunft in Kreuth. Dass der Wert an Guttenberg hänge, nennt Seehofer "eine These", die erst die kommende Umfrage bestätigen müsse. "Wir haben erstklassige Politikergebnisse abgeliefert in Bayern und in Berlin", sagt er. Der Vorsitzende betont das "Wir", unbedingt will er den Eindruck vermeiden, der Erfolg hänge an einem Einzelnen, auch nicht an ihm.

Guttenberg macht dagegen etwas, was man ein Markenzeichen, ebenso aber eine Masche nennen kann. Er redet von sich und macht sich dabei auffallend klein: "Irgendwann werde ich eine fürchterliche Leistung erbringen und andere werden besser sein." Dann werde es auch wieder einmal umgekehrt sein. Ob Guttenberg tatsächlich glaubt, dass seine Popularität nur an seiner Leistung hängt? 45 Prozent, sagt der Minister, seien jedenfalls eine Teamleistung, eine Personaldebatte brauche die CSU nicht.

Seehofer und Guttenberg oder Seehofer gegen Guttenberg? Das "Duell" hat dem Treffen in Kreuth in letzter Sekunde ein wenig Spannung, immerhin den Hauch von Glamour verliehen. Wo, wenn nicht hier, wo sich schon öfter das Schicksal von Vorsitzenden entschieden hat, wird man über dieses "Duell" nachdenken dürfen? Die CSU hatte sich beeilt, die diesjährige Klausur als reines Arbeitstreffen darzustellen. Sie will die Personaldebatte der FDP überlassen, die heute in Stuttgart zum Dreikönigstreffen zusammenkommt.

Minuten vor Beginn der Klausur wurde Seehofer gefragt, ob er das Jahr 2011 als Vorsitzender überleben werde. "Ja, ja, ja", antwortete er, seinen Kopf in alle Richtungen drehend. Er sei gesund, er könne weiterarbeiten. Und wenn es auf dem Parteitag im Oktober zwei Bewerber um den Vorsitz gebe? Auswahl sei nicht das Schlechteste in einer Demokratie, sagte Seehofer und legte in seinen schwarzen Anzugschuhen die verbleibenden Meter zum Schloss zurück. Der Rollsplitt wurde zuvor eigens für ihn aufgeschüttet. Offene Provokationen gegenüber der FDP werden zwar bewusst vermieden, aber beim Thema Vorratsdatenspeicherung will die CSU Forderungen verabschieden, die der FDP gar nicht gefallen. Dafür hat sie sich den Chef des Bundeskriminalamts Jörg Ziercke nach Kreuth geladen, der die Notwendigkeit der Speicherung von Telefon- und Internetdaten betonen soll. Mehr Überwachung will die CSU aber nicht nur, wenn es um den internationalen Terrorismus geht.

Und weiterer prominenter Besuch kam: Ex-Bischöfin Margot Käßmann erschien gestern Abend zu einem Kamingespräch. Bei der Begegnung mit den christsozialen Bundestagsabgeordneten wolle sie Fragen der politischen Kultur ansprechen, sagte sie bei ihrer Ankunft. Nicht zurücknehmen wollte die frühere Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche ihre vor einem Jahr geäußerte Kritik am Afghanistan-Einsatz: "Ich denke, dass sich die Lage in Afghanistan nicht fundamental verbessert hat." Sie schränkte zwar ein, dass auch sie keine Afghanistan-Expertin sei. Zugleich betonte sie aber: "Nur dass Menschen aus der Kirche immer wieder die Friedensfrage stellen, das ist, finde ich, völlig normal." Käßmann zeigte sich offen gegenüber einem möglichen Besuch mit Verteidigungsminister zu Guttenberg in Afghanistan: "Wenn er mich fragt, können wir darüber sprechen." Zuvor hatte Guttenberg betont, Käßmann sei immer noch eingeladen, "eine Reise nach Afghanistan mitzumachen". Er hatte das schon unmittelbar nach ihrer Kritik angeboten.

In den Vorjahren waren schon Persönlichkeiten wie der Schriftsteller Martin Walser oder der frühere DDR-Künstler Wolf Biermann nach Kreuth eingeladen worden.