Koalitionspolitiker und Steuerzahlerbund kritisieren Verzögerung

Berlin/Hamburg. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will trotz massiver Kritik aus den Koalitionsreihen wesentliche Entlastungen durch Steuervereinfachungen erst 2012 in Kraft setzen. Ein Sprecher des Ministeriums betonte gestern in Berlin, die Koalitionsspitzen hätten Anfang Dezember vereinbart, dass nur solche Regelungen rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft treten sollen, die keine Auswirkungen auf den Bundeshaushalt 2011 haben. Auch müsse dies technisch und organisatorisch machbar sein. "Das Bundesfinanzministerium hat sich an diese Vorgaben gehalten", sagte der Sprecher. Die Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags von 920 auf 1000 Euro bereits zum 1. Januar 2011 etwa sei aus Sicht des Finanzministers mit ganz erheblichem bürokratischen Aufwand verbunden und unverhältnismäßig.

Heftiger Widerstand schlägt Schäuble aus den eigenen Reihen entgegen: "Für uns ist klar: Alles was sich rückwirkend für 2011 in Kraft setzen lässt, muss umgesetzt werden", sagte Volker Wissing, finanzpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, dem Hamburger Abendblatt. Seine Fraktion werde keine Abstriche machen, was die Anhebung des Arbeitnehmer-Pauschbetrags und die erleichterte Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten angehe. "Was der Finanzminister fordert, geht so nicht", sagte Wissing. Der FDP-Politiker kritisierte, dass die Vorschläge des Finanzministeriums zu wenig bürgerfreundlich seien. "Dort sind alle Steuervereinfachungen herausgenommen worden, die nur in irgendeiner Weise die Verwaltung belasten. So lassen wir von der FDP nicht mit uns umgehen", warnte Wissing. "Wir wollen eine Steuervereinfachung, die bürgerfreundlich und nicht verwaltungsfreundlich ist."

Auch innerhalb der Union regt sich Widerstand gegen Schäubles Zögern, jetzt schon die Steuern zu vereinfachen. "Ich sehe momentan weder bei der Anlage Kinder noch bei der Arbeitnehmerpauschale irgendeinen Hinderungsgrund, warum das nicht zum 1. Januar 2011 in Kraft treten sollte", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich in der ARD.

Auch CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs zeigte sich verärgert über das Beharren des Finanzressorts. Der "Berliner Zeitung" sagte Fuchs: "Wir sind ziemlich erstaunt, dass wichtige Steuervereinfachungen erst 2012 in Kraft treten sollen." Dies werde das Parlament so nicht akzeptieren.

Der Präsident des Steuerzahlerbundes, Karl Heinz Däke, erinnerte daran, dass die geplante Steuervereinfachung eine der wichtigsten Aussagen im Koalitionsvertrag gewesen sei. "Wenn man diese Vereinfachung jetzt verschiebt, müssen sich die Steuerzahler getäuscht fühlen", sagte Däke dem Abendblatt. "Wenn man angeblich jetzt erst feststellt, dass bestimmte Änderungen rechtliche Probleme bedeuten könnten, handelt es sich dabei für mich um eine ganz müde Ausrede." Sie zeige, dass vonseiten des Ministers kein Wille bestehe, die Änderungsvorschläge bereits für das Jahr 2011 umzusetzen.