In der Führungsdebatte gehen drei liberale Spitzenpolitiker mit einem eindringlichen Reform-Appell in die Offensive

Berlin/Hamburg. In einem "Neujahrsappell" haben führende FDP-Politiker eine Schärfung des Profils ihrer Partei gefordert. In einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" kritisierten Generalsekretär Christian Lindner, Niedersachsens FDP-Landeschef, Gesundheitsminister Philipp Rösler, sowie der Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen, Daniel Bahr, die innerparteilichen Personaldebatten, weil diese den erforderlichen "Erneuerungsprozess" gefährdeten.

Zugleich bemängelten sie den Kurs der Parteispitze: "Die erfolgreiche Oppositionsarbeit zur Großen Koalition hatte allerdings dazu geführt, dass das Bemühen um thematische Verbreiterung und um die sympathische Vermittlung unser konzeptionellen Vorschläge weniger dringlich schien." Weil "im Regierungshandeln" nach Bildung der schwarz-gelben Koalition - nun "hinlänglich" diskutierte - Fehler gemacht worden seien, forderten Bahr, Lindner und Rösler: "Die entscheidenden Impulse für neues Vertrauen müssen deshalb auch aus der Regierungsarbeit kommen."

Den Unionsparteien warfen die drei Politiker vor, die FDP in "kräftezehrende" Debatten geführt zu haben, "an deren Ende nicht durchgreifende Reformen, sondern nur Kompromisse stehen". Sie fügten die Forderung an, die FDP solle "unsere Partner stärker als bisher durch eigene Vorschläge programmatisch herausfordern, um im gemeinsamen Interesse zu ehrgeizigeren Vorhaben zu kommen". Der Parteivorsitzende, Außenminister Guido Westerwelle, wird in dem Text nur mit dem Hinweis erwähnt, unter seiner "Federführung" seien in der FDP-Krise in den Neunziger Jahren die "Wiesbadener Grundsätze" formuliert worden, durch die die Partei damals "neues Vertrauen" gewonnen habe.

Zugleich haben kurz vor dem Dreikönigstreffen führende FDP-Politiker Parteichef Westerwelle den Rücken gestärkt. Zugleich äußerten sie große Erwartungen an die traditionelle Kundgebung am Donnerstag in Stuttgart. Niedersachsens Wirtschaftsminister und FDP-Politiker Jörg Bode "erwarte ein ganz normales Dreikönigstreffen in Stuttgart mit einer hervorragenden Rede unseres Bundesvorsitzenden Guido Westerwelle", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Er werde dort wie gewohnt die Schwerpunkte der liberalen Politik vorstellen. "Ohnehin wäre es besser, wenn alle mehr arbeiten und weniger übereinander reden würden", hob Bode hervor.

Vertreter von Landesverbänden hatten Westerwelle dazu aufgefordert, er müsse beim Dreikönigstreffen ankündigen, dass er beim Parteitag im Mai nicht erneut kandidieren werde. Für die FDP stellt sich in der gegenwärtigen Situation zudem die Frage nach den Alternativen und ob ein neuer Vorsitzender das Ruder herumreißen könnte. Immer wieder wird betont, dass der Vorsitzende nicht allein schuld an den miserablen Umfragewerten ist.

Die Erfolge seien gemeinsam errungen, und die Partei sei gemeinsam verantwortlich für schwierige Situationen, hob etwa Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel hervor. Er warnte seine Parteifreunde gestern noch einmal vor einer Fortsetzung der parteiinternen Führungsdiskussion. "Wir sollten Führung und Führungsreserve nicht immer gegeneinanderstellen." Es gebe zwar immer Alternativen, "aber ich kenne keinen besseren Vorsitzenden in der Geschichte der FDP als Guido Westerwelle". Zuvor hatte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger Generalsekretär Christian Lindner im Hamburger Abendblatt für höhere Aufgaben in der Partei empfohlen.

Sachsens FDP-Chef Holger Zastrow stärkt Westerwelle den Rücken und sieht gleichzeitig die Notwendigkeit für eine starke Führungsgruppe um den Parteivorsitzenden. "Westerwelle braucht jetzt ein starkes Team von jungen Leuten um sich herum, mit dem er der Partei die Schlagkraft zurückgeben kann", sagte Zastrow dem Abendblatt. Diese Aufgabe in einem Spitzenteam könnten derzeitige Minister nicht übernehmen, ergänzte er. Er sei sich aber sicher, dass Westerwelle bis zum Parteitag im Mai eine starke Führungsgruppe um sich herum aufbaue. Namen für dieses neue Spitzenteam wollte Zastrow auf Nachfrage allerdings nicht nennen. Westerwelle trug die FDP bei der Bundestagswahl 2009 zum Rekordwert von 14,6 Prozent - davon ist sie in den Umfragen zurzeit allerdings weit entfernt.

Inzwischen ist die Partei bei den Meinungsforschern zum Teil bis auf drei Prozent abgesackt und müsste um den Einzug in den Bundestag bangen. Auch in den sieben Bundesländern, in denen in diesem Jahr Landtagswahlen stattfinden, drohen die Liberalen Umfragen zufolge an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern.