Appell an den Iran. Todeskandidatin Aschtiani will gegen die Deutschen klagen

Hamburg/Teheran. 100 Prominente aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport haben in der "Bild am Sonntag" an den Iran appelliert, die beiden seit mehr als 80 Tagen inhaftierten Reporter der Zeitung freizulassen. An der Solidaritätsaktion beteiligten sich mehrere Bundesminister, Vertreter aller Bundestagsparteien, der Deutsche Gewerkschaftsbund, Vorstände der Deutschen Bank, der Telekom, der Bahn sowie von Daimler und BMW.

Die Reporter waren am 10. Oktober in der Provinzhauptstadt Täbris bei dem Versuch verhaftet worden, den Sohn und den Anwalt von Sakineh Mohammadi Aschtiani zu interviewen.

Die Frau sollte zunächst wegen Ehebruchs gesteinigt werden. Nun könnte sie wegen Beihilfe zur Ermordung ihres Ehemannes zum Tode durch den Strang verurteilt werden.

Außenminister Guido Westerwelle sagte: "Die beiden (Reporter) müssen so schnell wie möglich freikommen und nach Deutschland zurückkehren. Dafür werde ich mich auch im neuen Jahr mit ganzer Kraft einsetzen." Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sagte: "Ich appelliere an den Iran, die beiden so schnell wie möglich freizulassen. Ein Staat, der wie der Iran ständig um Verständnis wirbt, sollte darauf achten, dies nicht auf anderen Gebieten zu verspielen." Finanzminister Wolfgang Schäuble und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen appellierten ebenfalls an Teheran, die beiden Deutschen zu ihren Familien zurückkehren zu lassen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel forderte eine umgehende Freilassung der Journalisten: "Das ist nicht nur eine Frage der Pressefreiheit und der Menschenrechte, sondern auch ein Gebot der Humanität."

Zu den Sportlern, die die Freilassung der Journalisten fordern, gehören unter anderem Nationalspieler Philipp Lahm, Handball-Bundestrainer Heiner Brand, Schalkes Trainer Felix Magath, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, Thomas Bach, Rennfahrer Michael Schumacher, Franz Beckenbauer und Günter Netzer.

Die deutsche Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller äußerte die Hoffnung, "dass der Iran die beiden Journalisten nicht als Faustpfand benutzen will für andere Interessen".

Die zum Tode verurteilte Sakineh Aschtiani kündigte unterdessen an, sie wolle die beiden inhaftierten deutschen Journalisten verklagen. Sie hätten Schande über sie und das Land gebracht, sagte Aschtiani nach einem BBC-Bericht vor Journalisten. Ein iranischer Behördensprecher erklärte, der Fall Aschtianis werde weiter geprüft und die Strafe möglicherweise umgewandelt. Ob der Verurteilten statt einer Steinigung weiterhin der Tod durch den Strang droht, ist ungewiss. Der stellvertretende Chefredakteur der "Bild am Sonntag", Michael Backhaus, sagte: "Wir finden es befremdlich, dass eine Frau, die im Iran zum Tode verurteilt worden ist, für einige Stunden das Gefängnis verlassen darf, um vor westlichen Medien anzukündigen, dass sie Journalisten, die über ihren Fall berichten wollten, anzeigen will."

Irritiert zeigte sich auch das Auswärtige Amt in Berlin. "Die Art und Weise und der Inhalt der berichteten Äußerungen werfen viele Fragen auf", sagte eine Ministeriumssprecherin. Aus Diplomatenkreisen verlautete, es sei "leider nicht ungewöhnlich, dass Menschen im Iran zu Aussagen genötigt werden".

Aschtiani durfte laut BBC das Gefängnis kurz verlassen, um mit ihrem Sohn und ihrer Tochter zu essen. Bei einer Pressekonferenz erklärte sie, sie sei eine Komplizin beim Mord an ihrem Mann gewesen. Die Tat selbst aber habe ihr Liebhaber, Isa Taheri, verübt. "Er sagte, ich solle die Injektion geben, die er schon vorbereitet hatte."

Sie wies zudem Angaben ihres früheren Anwalts Mohammed Mostafaei zurück, wonach sie während ihrer Haft gefoltert worden sei. "Zu behaupten, dass ich gefoltert wurde, ist eine Lüge. Ich wurde im Gefängnis nie gefoltert", sagte sie. Neben den beiden deutschen Reportern will Aschtiani auch Mostafaei verklagen, der den ihren Fall international bekannt gemacht hat und inzwischen aus dem Iran nach Norwegen geflüchtet ist.