Hamburg. Hamburger Abendblatt: Soll Innenminister de Maiziere auf die Vorratsdatenspeicherung verzichten, damit Sie sich als Hüterin der Freiheitsrechte profilieren können?

Leutheusser-Schnarrenberger: Für uns gibt es eine Grundfrage: Wie kommen wir weg von der anlasslosen Speicherung aller Telekommunikationsverbindungsdaten von 80 Millionen Deutschen? Wir setzen darauf, dass auf solche Daten nur bei konkretem Verdacht zugegriffen wird. Das ist für die FDP ein wichtiger Punkt.

Wenn es zu einem Terroranschlag kommt, wird es Schuldzuweisungen an Ihre Adresse geben...

Die Kritik am Standpunkt der FDP soll doch nur von eigenen Versäumnissen ablenken. Nach dem Motto: Ist doch egal, ob die Landespolizei weniger Stellen und keine Internetanschlüsse bekommt, wenn nur die Vorratsdatenspeicherung im Gesetz steht. Ich erinnere mich gut, wie in der letzten Wahlperiode das Fehlen der Online-Durchsuchung zum drohenden Untergang des Abendlandes stilisiert wurde. Inzwischen haben wir im BKA-Gesetz die Möglichkeit der Online-Durchsuchung und meines Wissens bis heute keinen einzigen Anwendungsfall. Vor 2008 gab es auch keine Vorratsdatenspeicherung, und Deutschland war trotzdem nicht unsicher. Was die Kritiker der FDP behaupten, ist vollkommen unangemessen.

Verfassungsschützer und Kriminalbeamte sagen: Ohne Vorratsdatenspeicherung sind wir blind.

Das stimmt nicht. Telekommunikationsdaten spielen in 99,5 Prozent aller Ermittlungsverfahren keine Rolle. Und die Telekommunikationsunternehmen haben Daten, auf die unsere Sicherheitsbehörden unter bestimmten Voraussetzungenzurückgreifen können. Wir sind nicht blind. Es ist verantwortungslos, falsche Eindrücke in der Öffentlichkeit zu erwecken, um eigene Ziele besser verfolgen zu können.

Der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Kirchhof, hat im Abendblatt-Interview angeregt, die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Innern zu erweitern. Was halten Sie davon?

Dass sich ein Verfassungsrichter in dieser Form äußert, hat es nach meiner Kenntnis noch nicht gegeben. Interessant daran war Kirchhofs Hinweis, dass das geltende Grundgesetz einen Einsatz der Bundeswehr im Innern auf wenige Fälle begrenzt. Das bestätigt die Haltung der FDP.

Eine Änderung des Grundgesetzes schließen Sie aus?

Wir sind strikt dagegen, die Bundeswehr über die heutigen Möglichkeiten hinaus im Innern einzusetzen. Für die Abwehr von Gefahren haben wir die Polizei.

Was ist, wenn Flugzeuge als Terrorwaffe benutzt werden?

Dazu gibt es eine klare Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Wir sollten mit guten Kontrollen auf dem Boden verhindern, dass Flugzeuge zur Terrorwaffe werden und nicht auf den Abschuss von Flugzeugen in der Luft setzen.

Der Terroranschlag, vor dem der Innenminister für die Zeit vor Weihnachten gewarnt hatte, ist ausgeblieben. Hat de Maiziere überzogen?

Er musste eine Gratwanderung vollziehen, und er hat angemessen reagiert.

Ist jetzt Zeit für Entwarnung?

Darüber entscheiden die Sicherheitsbehörden. Ich fände es gut, wenn der Bundestag wieder frei zugänglich wäre für die Bürger.