120 Millionen Euro sollen Bund, Länder und Kirchen für den Hilfsfonds zur Verfügung stellen

Berlin. Sie wurden geschlagen, gedemütigt und zum Arbeiten gezwungen - und das in der Obhut von Staat und Kirche. Zwei Jahre lang hat der "Runde Tisch Heimerziehung" darüber beraten, wie die Opfer entschädigt werden können. Gestern ist der Abschlussbericht vorgelegt worden. Danach sollen ehemalige Heimkinder aus einem Hilfsfonds mit einem Volumen von 120 Millionen Euro entschädigt werden.

Die Vorsitzende des Runden Tischs, Antje Vollmer, sprach von einer "kollektiven Verantwortung" angesichts eines "Systems der Heimerziehung" bis in die 1970er-Jahre. Die Mittel sollen bei Bedarf aufgestockt werden. Zunächst sollen 20 Millionen Euro in einen Rentenfonds für Betroffene fließen, denen durch den Heimaufenthalt Rentenansprüche entgangen sind. 100 Millionen Euro sollen als Ausgleichszahlungen für Folgeschäden zur Verfügung stehen - für Therapien und Traumabehandlungen ebenso wie für Mietzuschüsse oder Altershilfen. Pauschale Entschädigungen soll es nicht geben. Dies wäre "nicht gerechtfertigt", sagte Vollmer.

Bund, Länder und Kirchen sollen den Fonds gemeinsam finanzieren - jeweils zu einem Drittel. Die Kirchen sagten ihre Zahlungsbereitschaft zu, von Bund und Ländern kam ein Ja unter Vorbehalt. Hier müssten die Parlamente noch über die Zahlung entscheiden, hieß es. Vollmer appellierte an Bund und Länder, rasch zu handeln. Bis 2011 müsse alles über die Bühne gehen.

Der Runde Tisch plädiert außerdem für ein Netz von regionalen Anlaufstellen. Betroffene könnten hier ihre Lage schildern und Hilfe bekommen. Vollmer sagte, das Leid aller Opfer werde anerkannt. In den Kinderheimen sei vielfach Unrecht geschehen, und es habe klare "Regel- und Rechtsverstöße" gegeben.

Der Verein ehemaliger Heimkinder kritisierte den Bericht scharf. Die Zustimmung der Opfervertreter sei "erzwungen und erpresst" worden, erklärte der Verein. Die Opfervertreter seien in dem Gremium vor die Wahl gestellt worden, entweder gebe es die in Aussicht gestellte Minimalentschädigung oder gar nichts.

Die Betroffenen hatten eine monatliche Zahlung von 300 Euro für ehemalige Heimkinder gefordert oder wahlweise eine Einmalzahlung von 54 000 Euro. Monika Tschapek-Güntner, Vorsitzende des Vereins, sagte, aus dem 120-Millionen-Topf blieben für den Einzelnen gerade mal 2000 bis 4000 Euro an Hilfe. "Das ist wirklich beschämend", sagt sie, "hier versucht man, mit einer minimalen Entschädigung das Thema vom Tisch zu bekommen."

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) lobte die vorgeschlagene Lösung. "Zweckgebundene Zahlungen sind eine angemessene Reaktion auf individuelles Unrecht", sagte sie. Umstritten bleibt, wie viele Betroffene Leistungen in Anspruch nehmen werden oder bekommen sollten. Vollmer verwies darauf, dass sich "trotz ständiger Aufforderungen" nur 650 Betroffene beim Runden Tisch gemeldet hätten. Insgesamt waren zwischen 1949 und 1975 bis zu 800 000 Kinder und Jugendliche in Heimen untergebracht.