Das Spitzentreffen im Kanzleramt droht auf zentralen Feldern ergebnislos zu bleiben. Vor allem CSU und FDP streiten wieder.

Berlin. Wochen dauert nun schon die Debatte um den Mangel an Fachkräften in der schwarz-gelben Koalition an. Und auch kurz vor dem Spitzentreffen der Regierung am heutigen Abend im Kanzleramt ist keine einheitliche Linie für die Beseitigung des immer größeren Fachkräftemangels erkennbar. Vor allem CSU und FDP streiten über neue Zuwanderungsgesetze .

Die CSU lehnt bislang erleichterte Zuwanderungsregeln für ausländische Fachkräfte strikt ab. Besonders die von der FDP geforderte Absenkung der Einkommensgrenze von 66 000 Euro im Jahr sei nicht akzeptabel. Parteichef Horst Seehofer hatte am Montag in München erklärt, es gebe jetzt keinen Anlass, das Zuwanderungsrecht zu erweitern. Er habe den klaren Auftrag des CSU-Vorstandes, bei diesem Thema keine Kompromisse zu machen.

Doch genau diese fordert die FDP. "Wir streben in den Verhandlungen der Koalition eine Absenkung der Einstiegsgehälter in Richtung 40 000 Euro an", sagte der sozialpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel, dem Hamburger Abendblatt. "Ich wünsche mir sehr, dass sich die CSU endlich kompromissbereit zeigt", ergänzte Vogel. Und er sei zuversichtlich, dass die Regierung in der Debatte vorankomme. "Denn Deutschland braucht dringend eine erleichterte Zuwanderung und ein transparentes Einwanderungssystem für Fachkräfte aus dem Ausland wie beispielsweise das kanadische Punktesystem", so Vogel.

Auch der Präsident des Paritätischen Wohlfahrtverbandes, Ulrich Schneider, unterstützt eine Absenkung der Grenze für Einstiegsgehälter. Der vorausgesetzte Mindestverdienst für Zuwanderer sei "eine unverhältnismäßig hohe Hürde und die unzureichende Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse eine Zumutung", sagte er dem Abendblatt. Hier müsse dringend etwas geändert werden, wenn Deutschland für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiv sein wolle. Gleichzeitig forderte Schneider die Bundesregierung auf, die milliardenschweren Kürzungen in der Eingliederungshilfe für Langzeitarbeitslose wieder rückgängig zu machen. "Denn diese bewirken genau das Gegenteil von dem, was in Sonntagsreden gerne ausgemalt wird", sagte Schneider.

Und auch innerhalb der Union gehen die Positionen in der Debatte um die Zuwanderung auseinander. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen beharrte kurz vor dem Spitzentreffen auf ihrer Forderung, die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte zu erleichtern. Allerdings verzichtete die CDU-Politikerin auf die von der Unionsfraktion abgelehnte Forderung nach einer Senkung der Einkommensschwellen.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Günter Krings (CDU), hob dagegen hervor, dass die aktuelle Entwicklung am Arbeitsmarkt nicht zum alleinigen Maßstab gemacht werden dürfe. Die lautstarken und pauschalen Forderungen der Wirtschaft nach mehr ausländischen Fachkräften könnten zudem von Eigeninteresse geprägt sein, kritisierte Krings. "Wer eine große Auswahl hat, kann den Preis drücken", warnte der Fraktionsvize. Dumpinglöhne könnten die Folge sein.

Bundesweit berichten inzwischen rund zwei Drittel aller Arbeitsagenturen von großen Engpässen in Metallberufen, bei Ingenieuren und bei Ärzten. Noch schwieriger ist die Lage bei Kranken- und Altenpflegern. Laut Statistischem Bundesamts werden 2025 rund 152 000 Beschäftigte in Pflegeberufen fehlen. Von der Leyen will die Aus- und Weiterbildung in der Branche verbessern. Zudem schlägt sie die Erstellung einer Liste von Berufen vor, bei denen die nötige Vorrangprüfung der Bundesagentur für Arbeit ausgesetzt wird. Betriebe können ausländische Fachkräfte dann sofort einstellen.

Doch die Zuwanderung ist nicht das einzige Streitthema des Koalitionsausschusses. Die von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angekündigte Aussetzung der Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 steht nach Angaben des "Kölner Stadt-Anzeigers" wieder auf der Kippe. "Das Datum steht noch nicht fest", sagte ein führender CSU-Vertreter der Zeitung.

Einigen will sich die Koalition dagegen bei den geplanten Erleichterungen bei der Steuererklärung. Sie soll nur noch alle zwei Jahre abgegeben werden. Die Erklärungspflichten bei Kindern werden der 41-Punkte-Liste zufolge reduziert und das Besteuerungsverfahren bei Rentnern vereinfacht. Angestrebt werden insgesamt Entlastungen für die Bürger von rund 590 Millionen Euro.