Kritik an Pfefferspray-Einsatz von FDP und Linkspartei

Berlin. Ungewöhnliche Allianz im Deutschen Bundestag: Der FDP-Abgeordnete Erwin Lotter unterstützt die Vorbehalte der Linkspartei gegenüber einem polizeilichen Einsatz von Pfefferspray gegen Demonstranten. Die Linke will zukünftig den Gebrauch von Pfefferspray sogar verbieten lassen.

In einem Brief Lotters an Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der dem Abendblatt vorliegt, fordert der FDP-Politiker, für Demonstrationen den Einsatz von Alternativen zu prüfen, die "medizinisch wie praktisch weniger komplikationshaft" seien als der Einsatz von Pfefferspray.

Mit Pfefferspray waren Polizeikräfte zuletzt etwa bei einer Kundgebung gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 vorgegangen. Nach Aussage von Kundgebungsorganisatoren sollen dabei mehr als 100 Menschen Augenreizungen oder -verletzungen erlitten haben. Synthetisches Pfefferspray wurde in großem Maße von der Polizei auch bei den Demonstrationen gegen den Castortransport im Wendland vor mehr als drei Wochen eingesetzt. Wie ein Schreiben des parlamentarischen Staatssekretärs im Innenministerium Ole Schröder (CDU) an die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke offenbart, wurden bei dem Großeinsatz der Polizei 2190 Dosen leer gesprüht. In dem Brief heißt es, nach dem Einsatz sei seitens der Bundespolizeiabteilungen "ein Ersatzbedarf" von 2190 Reizstoffsprühgeräten angezeigt worden. Jelpke zeigte sich entsetzt über die Auskunft aus dem Ministerium: "Schon alleine die Dimension dieses Reizgaseinsatzes zeigt, welcher Polizeigewalt die Demonstranten ausgesetzt waren. Mit der Verhältnismäßigkeit der Mittel ist das schlechterdings unvereinbar."

Für Aufsehen sorgt ein Gutachten des Wissenschaftlichen Diensts des Bundestags, das die Linke in Auftrag gegeben hatte. Dort heißt es, der Körper reagiere auf Pfefferspray mit heftigen Symptomen, die zu einer meist vorübergehenden körperlichen Beeinträchtigung führen. "Aber auch bleibende körperliche Schäden und seelische Schäden sind nicht auszuschließen."

Diese"durchaus begründeten medizinischen Implikationen" könne er als Arzt "nicht ignorieren", schreibt der FDP-Politiker Lotter. Er halte es im Hinblick auf die Unversehrtheit der Demonstranten, aber auch mit Rücksicht auf die Polizisten "für dringend geboten", das Thema in einer sachlichen Klärung durch das Innenministerium zu unterziehen. Sonst würden die Polizisten durch den Grundtenor der Diskussion bei Pfefferspray-Einsätzen zukünftig pauschal dem inkriminierenden Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit ausgesetzt.