Witwer klagt nach Verweigerung einer Todesdosis für seine Frau

Straßburg. Folter war es. Tag und Nacht. Mit Leben hatte das nichts mehr zu tun, sagte Ulrich Koch dann noch im Sitzungssaal des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Seine Frau war 2002 vor ihrem Haus so unglücklich auf den Kopf gestürzt, dass sie sich das Genick brach. Seither war sie querschnittsgelähmt, wurde künstlich beatmet und ernährt. Die Kranke sei rund um die Uhr betreut worden. Dieses unerträgliche Leben wollte Ulrich Koch auf Wunsch seiner Frau mit einer Überdosis Schlafmittel beenden. Doch die deutschen Behörden verweigerten ihm das.

Der Witwer aus Braunschweig kämpft seither vor Gerichten gegen die deutsche Sterbehilfe-Praxis. Seit gestern klagt Koch dagegen in Straßburg. Erkennt das Gericht eine Verletzung der Menschenrechtskonvention an, kann der Witwer auf Schmerzensgeld hoffen. Zudem geht sein Anwalt von einer langfristigen Wirkung auf die deutsche Gesetzgebung aus. "Wird die Abgabe von Medikamenten auch zu lebensbeendenden Zwecken erlaubt, wird der begleitete Suizid legalisiert", sagte Detlef Koch. In Deutschland ist die Sterbehilfe nicht legal, aber straffrei. Erst im Juni hatte der Bundesgerichtshof (BGH) das Recht auf menschenwürdiges Sterben gestärkt. Anwalt Koch warnte davor, den Anspruch auf Sterbehilfe zu verteufeln. 2005 ist die Frau gestorben. Sie nahm sich mithilfe des Vereins Dignitas in der Schweiz das Leben. Der Ehemann führt die Klage fort.

Das Leiden des Paares bestreitet auch Christian Walter nicht, der Rechtsvertreter der Bundesregierung. Härtefälle wie diese seien eine "Herausforderung" für die Justiz. Daraus könne aber keine "Verpflichtung des Staates zur Sterbehilfe" abgeleitet werden. In Deutschland würden weder Selbstmord noch die Beihilfe dazu als Straftaten gewertet, betont der Jurist.