Leutheusser-Schnarrenberger legt einen Gegenentwurf zum Bleiberecht für Kinder und Jugendliche vor - pünktlich zur Innenministerkonferenz

Berlin. Sie sind voll integriert, aber unerwünscht: Ausländer ohne deutschen Pass, ohne ein dauerhaftes Bleiberecht. Nicht zuletzt seit der Beinahe-Abschiebung der Ghanaerin Kate Amayo wird wieder über die deutsche Abschiebepraxis diskutiert. Eine Reform des Bleiberechts planen Hamburgs Innensenator Heino Vahldieck und sein niedersächsischer Amtskollege Uwe Schünemann (beide CDU). Jetzt bringt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) einen Gegenentwurf in die Diskussion.

Es geht dabei um ein neues Regelwerk für Menschen wie Kate. Die 20-Jährige lebte in Hamburg und sollte in ihr Heimatland abgeschoben werden. Kate hatte ein gutes Abitur, sprach perfekt Deutsch. Aber Kate sollte dennoch gehen. Kurz vor dem Start ihres Flugzeugs entschied die Härtefallkommission, dass sie bleiben darf.

Hunderte solcher Fälle gibt es jedes Jahr in Deutschland. Und es ist ein Leben in der Warteschleife, das ausländische Flüchtlinge führen. Meist kommen sie aus zerrütteten Ländern, sind geflohen vor Armut, Krieg und Gefahr. Aber meist leben sie auch schon jahrelang in der Bundesrepublik, sind integriert, ziehen ihre Kinder groß - und werden doch nach langer Duldung in ihre Heimatländer zurückgeschickt. Besonders hart trifft das Kinder und Jugendliche, die hier zur Schule gehen, Freunde haben, die Sprache beherrschen.

Schünemann hatte sein Konzept zur Reform des Bleiberechts, das er zusammen mit Vahldiek erarbeitete, schon in einer Fernsehsendung vorgestellt. Nun präsentiert die Justizministerin ihre eigenen Eckpunkte - und fordert die Innenminister pünktlich zur Innenministerkonferenz heraus. Das Treffen, das eine Lösung in dieser Frage bringen soll, findet morgen und am Freitag in Hamburg statt.

Das Hamburger Abendblatt erklärt die unterschiedlichen Konzepte der Minister:

Wie ist die Rechtslage in Deutschland bisher?

Ist der Aufenthaltsgrund erloschen, haben Flüchtlinge keinen Anspruch mehr auf ein Bleiberecht und werden bis zu ihrer Abschiebung geduldet. Müssen Eltern das Land verlassen, gilt das auch für ihre Kinder. Wer wiederum Jugendlichen das Aufenthaltsrecht gewährt, gewährt es auch den Eltern. Weil die Familie im Grundgesetz geschützt ist, dürfen Kinder und Eltern in aller Regel nicht auseinandergerissen werden. Die Entscheidungen über ein Bleiberecht haben Härtefallkommissionen bislang unterschiedlich gefällt.

Wie soll der Schutz vor Abschiebung verbessert werden?

Das Konzept der Bundesjustizministerin sieht vor, dass Kinder und Jugendliche ein eigenes Aufenthaltsrecht bekommen. Wenn sie entsprechend im Bundesgebiet "verwurzelt" sind, sollen sie eine dauerhafte Aufenthaltsperspektive ohne Stichtag erhalten. Auch Vahldieck und sein niedersächsischer Amtskollege Uwe Schünemann (CDU) haben entsprechende Pläne: "Es geht darum, dass Ausländern, die hier nur geduldet sind, aber Wurzeln geschlagen haben und gut integriert sind, eine wirkliche Bleibeperspektive eröffnet wird", so Vahldieck.

Sind alle geduldeten Ausländerkinder vor Abschiebung sicher?

Geht es nach der Justizministerin, kann das eigenständige Aufenthaltsrecht dann versagt werden, wenn der Minderjährige weniger als zwei bis drei Jahre in Deutschland lebt, die Sprache nicht beherrscht und sich nicht in die Gesellschaft eingelebt hat. Eine Altersgrenze und eine Mindestdauer des Schulbesuchs lehnt Leutheusser-Schnarrenberger ab. Schünemann und Vahldieck setzen hingegen auf Leistung, vor allem in der Schule: Wer bleiben will, muss gute Noten haben. Darüber hinaus müssen die Kinder straffrei sein, mindestens acht Jahre in Deutschland leben und "eine positive Prognose für einen Schulabschluss" haben.

Was bedeutet der Vorstoß für die Eltern der Kinder?

Geht es nach Schünemanns Vorstellungen, soll bis zur Volljährigkeit auch die Abschiebung der erziehungsberechtigten Eltern ausgesetzt werden. Danach wird das Bleiberecht der Eltern neu entschieden. Leutheusser-Schnarrenbergers Entwurf sieht hingegen vor, dass der Aufenthalt von Eltern nach der Volljährigkeit des Kindes nicht automatisch wieder auf den Prüfstand gelangen muss. In den Eckpunkten wird hervorgehoben, dass der Schutz der Familie und das Wohl des Kindes ein vom Aufenthaltsrecht des Kindes abgeleitetes Aufenthaltsrecht von Familienangehörigen "jedenfalls bis zu Volljährigkeit des gut integrierten Kindes" erfordert.

Wann soll sich die Rechtslage verändern?

Uwe Schünemann und Heino Vahldieck wollen ihr Konzept bei der IMK durchsetzen. Sollten die Innenminister der Länder und der zuständige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den Plan einstimmig unterstützen, könnte ein sofortiger Abschiebestopp noch auf der Tagung beschlossen werden. Leutheusser-Schnarrenberger fordert ebenfalls, dass minderjährige ausländische Kinder und Jugendliche und ihr Familien bis zum Inkrafttreten eines Gesetzes ab sofort nicht mehr abgeschoben werden. Eine gesetzliche Regelung könnte kurzfristig in den Gesetzentwurf zur Zwangsheirat eingestellt werden, der dem Bundestag zur Beratung vorliegt.