Die SPD bringt ein Gesetz auf den Weg, das den Entschädigungsanspruch deutlich verlängert

Berlin. Die SPD will mit einem neuen Gesetz längere Verjährungsfristen bei sexuellem Missbrauch von Kindern einführen. Die Vorlage, die gestern in erster Lesung in den Bundestag eingebracht wurde, sieht vor, dass eine solche Tat künftig nach 20 und nicht, wie bislang, nach zehn Jahren strafrechtlich verjährt. Da die Verjährungsfrist immer erst ab dem 18. Lebensjahr beginnt, können Opfer demnach bis zu ihrem 38. Lebensjahr strafrechtlich gegen die Täter vorgehen.

Mit dem Vorstoß reagieren die Sozialdemokraten auf die zahlreichen Missbrauchsfälle der 60er-, 70er- und 80er-Jahre, die in diesem Jahr bekannt geworden sind. "Die öffentliche Debatte über den Missbrauch von minderjährigen Schutzbefohlenen in Heimen und Internaten darf nicht ohne Folgen bleiben", sagte SPD-Fraktionsvize Olaf Scholz dem Abendblatt. "Wir müssen denen helfen, die als Kinder sexuell missbraucht wurden."

Nachdem im Januar dieses Jahres erste Fälle von sexuellem Missbrauch am Berliner Canisius-Kolleg aufgedeckt worden waren, gingen immer mehr Betroffene von kirchlichen und nicht kirchlichen Einrichtungen mit ähnlichen Schicksalen an die Öffentlichkeit - auch in Hamburg wurden Fälle bekannt. Viele Opfer hatten aus Angst und Scham über den Missbrauch geschwiegen - und können heute keine juristischen Schritte gegen ihre Peiniger unternehmen. "Wie wir gerade sehen, brauchen die Opfer oft Jahre oder Jahrzehnte, um die Hilfe von Staat und Gerichten in Anspruch zu nehmen", sagte Hamburgs SPD-Chef Scholz weiter. "Zu ihrem Schutz brauchen wir längere Verjährungsfristen."

Neben einer Verlängerung der strafrechtlichen Frist soll die zivilrechtliche Frist nach den Vorschlägen der SPD auf 30 Jahre erhöht werden. Damit könnten die Opfer auch lange nach der Tat Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld geltend machen, konkret bis zu ihrem 51. Lebensjahr. Bislang verjähren zivilrechtliche Forderungen "regelmäßig innerhalb von nur drei Jahren", wie es in dem Gesetzesentwurf heißt. Da die Verjährungsfrist bis zum 21. Lebensjahr ruht, müssten die Opfer ihre Ansprüche heute bis zur Vollendung ihres 24. Lebensjahres geltend machen.

Im April hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung zur Aufarbeitung der zahlreichen Missbrauchs-Fälle einen runden Tisch einberufen. Unter Leitung der Vorsitzenden Bundesministerinnen Kristina Schröder (CDU), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Annette Schavan (CDU) wurden nach zwei Sitzungen ohne entsprechende Einladungen gestern auch erstmals Opfer von Kindesmissbrauch angehört. Das Gremium soll Handlungsempfehlungen zur Aufarbeitung erarbeiten, Ende des Jahres soll ein erster Zwischenbericht vorliegen, der sich unter anderem auch mit Fragen der juristischen Aufarbeitung befasst.