Nicht nur Merkel springt dem Minister bei seinen Thesen zur Seite. Anders als bei Köhler

Berlin. Vielleicht will Angela Merkel nicht denselben Fehler zweimal begehen. Vielleicht ist sie auch einfach mutiger und entschlossen, die Dinge jetzt auch einmal beim Namen zu nennen. Vielleicht ist es aber auch die Beliebtheit und die Prominenz der CSU-Lichtgestalt Karl-Theodor zu Guttenberg, die die Bundeskanzlerin gestern dazu veranlasste, zu den umstrittenen Aussagen ihres Verteidigungsministers Stellung zu nehmen - und ihn bei der These zu unterstützen, die wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik würden auch durch die Bundeswehr sichergestellt werden. Zu Guttenberg hatte sich am Dienstag dafür ausgesprochen, den Zusammenhang zwischen Sicherheitspolitik und Wirtschaftsinteressen "offen und ohne Verklemmung" herzustellen.

Durch ihren Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans ließ Merkel gestern ihre Rückendeckung für zu Guttenberg übermitteln. Der Verteidigungsminister beziehe sich "zu Recht" darauf, was im Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands aus dem Jahr 2006 "schwarz auf weiß" stehe, sagte Steegmans. Die deutsche Sicherheitspolitik werde auch von dem Ziel geleitet, "die Interessen unseres Landes zu wahren" und "den freien und ungehinderten Welthandel als Grundlage unseres Wohlstandes zu fördern", zitierte Steegmans aus dem Weißbuch. Deutschland habe ein besonderes Interesse an "freien Transportwegen" und "gesicherter Rohstoffzufuhr". Dies sei mit großer Mehrheit des Bundestags so festgestellt worden und "unstrittig".

Dass sich die Bundeskanzlerin so demonstrativ hinter ihren Minister stellt, ist zwar für sich genommen keine Sensation - überrascht aber dennoch. Denn die Debatte, die zu Guttenberg jetzt ausgelöst hat, trägt starke Züge der nicht minder heiß geführten Diskussion um Ex-Bundespräsident Horst Köhler (CDU). Im Mai hatte er am Rande eines Truppenbesuches die Verbindung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr und deutschen Handelsinteressen gezogen. Während insbesondere SPD und Grüne Köhler attackierten, fiel die Reaktion der Regierungsparteien gelinde gesagt bescheiden aus. Ein bisschen verteidigte ihn die FDP, die Union aber schwieg weitestgehend. Und insbesondere schwieg die Kanzlerin. Die folgenden Ereignisse sind bekannt. Köhler trat zurück.

Im Falle zu Guttenbergs ist es jedoch anders. Neben der Kanzlerin sprang ihm auch der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, zur Seite. "Es ist vollkommen unstrittig, dass Deutschland auf freie Handelswege angewiesen ist", sagte Kirsch dem Abendblatt. "Deswegen spielen wirtschaftliche Aspekte bei manchen Einsätzen durchaus eine Rolle." Beim EU-Einsatz Atalanta am Horn von Afrika, an dem die Marine beteiligt ist, gehe es auch um freie Handelswege für Deutschland. Das sei im Weißbuch der Bundesregierung schon lange festgeschrieben, so Kirsch. "Insofern habe ich wenig Verständnis für die Kritik am Verteidigungsminister und auch nicht am damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler." Was allerdings andere Einsätze betreffe, sagte Kirsch, könne er solche wirtschaftlichen Interessen jedoch nicht entdecken und nannte als Beispiel den Einsatz in Afghanistan.

Auch der ehemalige Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz (CDU) unterstützte zu Guttenberg. "Seine Aussagen sind sicherheitspolitisch und verfassungsrechtlich vollkommen richtig", sagte Scholz dem Abendblatt. "Ein Verteidigungsminister darf und muss so etwas offen aussprechen." Überall dort, wo die Bundeswehr im Rahmen eines internationalen Schutzauftrages im Einsatz sei, gehe es auch um den Schutz der deutschen Staatsbürger. "Der Schutz der wirtschaftlichen Interessen ist mit den rechtlichen Vorgaben ebenfalls abgedeckt", sagte Scholz und nannte als Beispiel die Sicherung der Seewege. Es handele sich dabei "um rechtmäßige und verbindliche" Vorgaben des internationalen Rechts. Die teils harsche Kritik der Opposition und die daraus resultierenden Debatten nannte der Verfassungsrechtler "in jeder Hinsicht unverständlich".

So forderte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin den Verteidigungsminister auf, seine Thesen umgehend zurückzunehmen. "Er bewegt sich jenseits der Linien des Grundgesetzes", sagte Trittin der Mediengruppe Madsack. Linken-Chef Klaus Ernst legte dem Minister den Rücktritt nahe: "Guttenberg wurde als Verteidigungsminister vereidigt und deutet jetzt sein Amt zum Kriegsminister um."