Der Generalsekretär kritisiert Forderung nach Generalstreik als “Klassenkampf-Rhetorik von vorgestern“. Linke unterstützen Gewerkschaft.

Hamburg. Für die Gewerkschaften war es der Auftakt zum "heißen Herbst" gegen die "soziale Kälte der Regierung", wie es plakativ auf den Transparenten in Hannover stand. Mehr als 11.000 Menschen demonstrierten dort an diesem Sonnabend gegen Sozialkürzungen, die Rente mit 67 und das Sparpaket der Bundesregierung.

Bei ihren Protesten geht der Blick der Organisatoren immer wieder auch nach Frankreich. Auf dem Höhepunkt der Protestwelle gegen die geplante Rentenreform hatten sich dort Millionen Franzosen an Demonstrationen beteiligt. Und auch an Generalstreiks, die mehrere Tage den Verkehr lahmlegten. Mit einem Plädoyer für den Generalstreik als Mittel der politischen Auseinandersetzung auch in Deutschland hat der Ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske nun harschen Widerspruch ausgelöst. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wies die Forderung energisch zurück. "In einer Zeit, in der die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit sensationell zurückgeht und die Arbeitnehmer deutlich mehr Lohn bekommen, ist es geradezu absurd, über das Recht zum politischen Generalstreik zu schwadronieren", sagte Gröhe dem Abendblatt. "Wir müssen gemeinsam anpacken für eine gute Zukunft und sollten nicht wie Herr Bsirske in Klassenkampf-Rhetorik von vorgestern verfallen."

Ver.di-Chef Bsirske hatte im Abendblatt gesagt: "Ich finde, dass wir auch in Deutschland ein politisches Streikrecht brauchen. Das Verbot des politischen Streiks stammt von 1955." Im Zusammenhang mit dem Sparpaket der Regierung gebe es in Deutschland jetzt aber "eine vollkommen andere Situation", sagte Bsirske. Der Koalition warf er eine Politik "krasser sozialer Einseitigkeit" vor, die inakzeptabel sei.

Unterstützung bekam Bsirske von der Linkspartei. Der frühere Linksparteichef und heutige Linken-Fraktionschef im Saarland, Oskar Lafontaine , gab zu bedenken: "Das Recht auf politischen Streik ist europäische Normalität." Er fügte hinzu: "Die Arbeitnehmer brauchen eine wirksame Möglichkeit, sich gegen den Abbau des Sozialstaats zur Wehr zu setzen." Lafontaine befürwortete einen grenzüberschreitenden deutsch-französischen Streikaktionstag gegen Rentenkürzungen, wie ihn der Parteichef der Linken, Klaus Ernst, gefordert hatte. Gegenwärtig veranstalteten die europäischen Regierungen "einen Wettlauf darum, wer den Bürgern die größten Sozialkürzungen aufbrummt. Das können wir nur beenden, wenn der Widerstand Grenzen überwindet", sagte Lafontaine.

Gegenwind bekommt Bsirske indes von der Ärztegewerkschaft Marburger Bund (MB). Es sei "der Gipfel an Heuchelei", wenn sich Bsirske für das Recht zum Generalstreik starkmache, aber zugleich für ein Streikverbot von Berufsgewerkschaften eintrete, sagte MB-Vorsitzender Rudolf Henke. Ver.di wolle gemeinsam mit den Arbeitgeberverbänden für ein verfassungswidriges Gesetz zur Festschreibung der Tarifeinheit eintreten, um die gewerkschaftliche Konkurrenz auszuschalten.