SPD-Chef Gabriel attackiert aber auch die Grünen

Berlin. Das erste Jahr der schwarz-gelben Bundesregierung war verschenkt, darin stimmten SPD, Grüne und Linkspartei in seltener Eintracht überein. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier, nach seiner Nierenspende für seine Frau wieder mit voller Kraft auf der politischen Bühne, ließ seine gewohnte Zurückhaltung fallen und erklärte, noch nie habe eine Bundesregierung einen so schlechten Start hingelegt.

Viele gute Erfahrungen habe er in den schweren Wochen gemacht, die hinter ihm liegen, sagte Steinmeier. Er dankte für die "überwältigend große Anteilnahme" aus der Bevölkerung, der Zuspruch habe gut getan. Seine Erfahrungen mit der Bundesregierung seien allerdings auch nach acht Wochen Abstand nicht besser, "überhaupt nicht besser", fügte er mit besorgter Miene hinzu. Das als Traumpaar gestartete Duo Merkel/Westerwelle sei "zum Albtraum geworden", die Ministerriege ein "Kabinett der Eitelkeiten".

SPD-Chef Sigmar Gabriel stimmte in diesen Tenor ein: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Guido Westerwelle hätten keine Vorstellung, wie man das Land voranbringen könne. Gabriel beließ es aber nicht beim Eindreschen auf die Regierung. Die Höhenflüge der Grünen, die in Umfragen die SPD vielfach auf Landes- und Bundesebene abgehängt haben, wurmten ihn erkennbar. Dem einstigen Juniorpartner machte er klar, ein grüner Ministerpräsident komme für ihn nicht infrage. Das Wort Kanzler nahm Gabriel zwar nicht in den Mund. Er erklärte aber, die Probleme der 82 Millionen Deutschen ließen sich mit den einseitigen politischen Vorstellungen der Grünen nicht lösen. Die Grünen seien die neue FDP und eine Partei für Besserverdienende und Angehörige des öffentlichen Dienstes, gab der SPD-Chef zu Protokoll. Sobald sie in der Regierungsverantwortung seien, wäre es mit den Spitzenwerten in Umfragen ohnehin vorbei, zeigte er sich zuversichtlich. Die seit der Bundestagwahl auf niedrigen Werten dahindümpelnde SPD werde dagegen stetig zulegen.

Die Schelte solle aber nicht als grundsätzliche Ablehnung der Grünen verstanden werden, versicherte Gabriel: "Wir sind kein Grünen-Bekämpfungskommando." Aber sinnvolle Politik könnten die Grünen nur machen, wenn ihnen die SPD zur Seite stehe, und zwar als Zentrum einer Regierung.

Von den Grünen war zunächst kein böses Wort über die SPD zu hören. Sie schütteten ihre Häme über das erste Jahr Schwarz-Gelb aus. Fraktionschef Jürgen Trittin sprach von reiner Klientelpolitik und konstatierte mit Blick auf innerkoalitionäre Zwistigkeiten, man habe über ein Jahr langes Schlamm-Catchen betrachten können.

Die Linkspartei war ebenso wie SPD und Grüne überzeugt, Union und FDP würden am Gängelband von Interessengruppen hängen. "Die Lobbyisten der Atomindustrie, der Banken, der Pharmaindustrie und der Hoteliers handeln mit der Regierung Merkel hinter verschlossenen Türen ihre Gesetze aus", teilten die Linkspartei-Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst mit. Die soziale Spaltung des Landes werde vorangetrieben. Auf Rempeleien gegen SPD und Grüne verzichteten die beiden Vorsitzenden und beschworen stattdessen: "Wir brauchen neue Mehrheiten für eine neue Politik."