Der Protest gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 wächst weiter. Auch am Wochenende gingen Zehntausende Menschen gegen Stuttgart 21 auf die Straße.

Stuttgart. Zur bisher größten Demonstration gegen das Milliardenbauvorhaben gingen am Wochenende nach Schätzungen der Polizei 65 000 Menschen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt auf die Straße. Die Veranstalter sprachen von 90 000 bis 100 000 Teilnehmern. Friedlich und lautstark verlangten sie "Oben bleiben!" und mit der Parole "Mappus weg!" den Rücktritt von Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU).

Der Stuttgarter Hauptbahnhof soll von einem Kopfbahnhof in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut werden. Immer wieder wurde ein völliger Baustopp gefordert. Erst danach seien Gespräche möglich, die der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler als Vermittler in dieser Woche in Gang bringen soll.

Einer Umfrage zufolge sprachen sich zwei Drittel für eine Volksabstimmung über das umstrittene Bahnprojekt aus. 46 Prozent votierten für und 43 Prozent gegen das Bauvorhaben. Ministerpräsident Mappus bemühte sich in einem offenen Brief an die Bürger um ein weiteres Signal des Entgegenkommens: Zusätzlich zur Schlichtung bot er Informations- und Gesprächsforen für Einzelfragen - etwa den Schutz der Mineralquellen, die Kostenfrage, Optimierungen im künftigen Nahverkehr, das Baustellenmanagement und den Anwohnerschutz - an. SPD und Grüne im Südwesten kritisierten, in dem Schreiben sei nichts Neues enthalten. Die Grünen wollen im Landtag zudem einen Untersuchungsausschuss wegen des harten Polizeieinsatzes am vorvergangenen Donnerstag beantragen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beklagte bei einem Treffen der Jungen Union in Mecklenburg-Vorpommern mit Blick auf die Proteste gegen Stuttgart 21, dass in Deutschland immer weniger Menschen bereit seien, "ein Stück Nachteil im persönlichen Leben im Interesse der Gemeinschaft in Kauf zu nehmen".

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat den Einwohnern der westlichen Bundesländer im Zusammenhang mit den Protesten gegen Stuttgart 21 vorgeworfen, zu bequem für Veränderungen zu sein. "Bei uns gibt es noch mehr Motivation", schrieb er im "Focus". "Vielleicht kann 20 Jahre nach der Einheit der Westen auch etwas von uns lernen", mutmaßte er. Mappus empfahl er, im Streit um den Bahnhof durchzuhalten.