Peter Ramsauer und Rainer Brüderle besuchen nach Nobelpreis-Entscheidung China

Berlin. Gerhard Schröder ist in seiner Amtszeit sechsmal nach China gereist, die Bundeskanzlerin bisher viermal. An diesem Montag brechen - unabhängig voneinander - gleich zwei ihrer Minister ins Reich der Mitte auf. Staatsbesuche in der Volksrepublik sind immer ein Balanceakt zwischen Wirtschaftsinteressen und Menschenrechten. Auf Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) kommt aber eine besondere Bewährungsprobe in Sachen Diplomatie zu.

Der Friedensnobelpreis für den inhaftierten Bürgerrechtler Liu Xiaobo hat Peking über die Maßen empört, und die offizielle Reaktion von deutscher Seite wird nicht zur Beruhigung beigetragen haben. "Die Bundesregierung wünscht sich", so ihr Sprecher Steffen Seibert am vergangenen Freitag, "dass er aus der Haft freikommt und diesen Preis selber in Empfang nehmen kann." Deutlicher geht es nicht.

Brüderle und Ramsauer sind erfahrene Politiker, über deren Trittsicherheit auf der internationalen Bühne man allerdings wenig weiß. Sie wollten sich ganz auf die Förderung der Wirtschaftsbeziehungen konzentrieren, und vor Reiseantritt halten sie strikt an dieser Linie fest. "Die 1,4 Milliarden Chinesen beeinflussen das wirtschaftliche Geschehen auf der Welt bereits heute maßgeblich", sagt Brüderle dem Hamburger Abendblatt. "Deutschland als Exportland muss da einfach präsent sein und die sich bietenden Potenziale nutzen." Sein Ziel sei, kleinere und mittlere Unternehmen stärker in die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen einzubeziehen.

Ramsauer hebt die Errungenschaften einheimischer Unternehmen hervor, verweist auf Elektroautos, satellitengestützte Lkw-Maut oder Ingenieurleistungen im energieeffizienten Bauen. "Deutschlands Meisterschaft in Sachen Verkehrs- und Bautechnologien ist weltweit gefragt", sagt er dem Abendblatt. Deutsche Firmen könnten "exzellente Helfer und Unterstützer beim Aufbau der Infrastruktur in aller Welt" sein. Er unterstreicht, dass die Unternehmen bereits ein Drittel ihrer Umsätze mit ausländischen Geschäftspartnern machten. Daher sei er "als Botschafter und Türöffner für die deutsche Wirtschaft in den Bereichen Infrastruktur und Bauwesen weltweit unterwegs". Was werden die Besucher ihren Gastgebern sagen? Wird Ramsauer deutlich werden, wenn er in Peking die Minister für Transport, Eisenbahnen, Wissenschaft und Stadtentwicklung trifft? Worauf wird Brüderle die Sprache lenken, wenn er von den Ministern für Handel und Industrie empfangen wird? Der deutsche Wirtschaftsboom nach der Krise ist wesentlich auf das Geschäft mit China zurückzuführen.

Die Reisen in die Volksrepublik wären auch ohne den Nobelpreis für Chinas Staatsfeind Nummer eins zu einer Herausforderung geworden - zumal es auf wirtschaftlichen Feldern ebenfalls erheblichen Klärungsbedarf gibt. Das Asem-Treffen vergangene Woche in Brüssel endete im Streit über den chinesischen Yuan, der zur Exportsteigerung von Peking künstlich unterbewertet wird. Außerdem geht es um Marktbeschränkungen, die Benachteiligung bei Ausschreibungen, erzwungenen Technologietransfer, fehlenden Zugang zu Bodenschätzen, Wirtschaftsspionage und Produktpiraterie. Ramsauer will beispielsweise in Peking dafür werben, dass die Lufthansa mit ihrem Großraumflugzeug A 380 öfter als nur einmal in der Woche in der Hauptstadt landen darf. Und am Freitag in Shanghai wird er in den Transrapid steigen. Die 2002 eröffnete Teststrecke für die Magnetschwebebahn ist möglicherweise das prominenteste Beispiel für Technologieklau. Längst gibt es den Verdacht, dass China die deutsche Technik lediglich kopieren wollte.

Ramsauer, zu dessen Delegation auch der frühere Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) gehört, hat ein selten besuchtes Ziel ins Programm genommen: die autonome Region Xinjiang im Nordwesten Chinas. Als Kanzlerin Angela Merkel im Juli in China war, appellierte Premierminister Wen Jiabao an deutsche Unternehmen, der Erschließung des rückständigen Westens mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Investitionen sollen auch Unruhen in der muslimisch geprägten Provinz die Grundlage entziehen. Vor 15 Monaten starben bei einem Aufstand nach offiziellen Angaben 200 Menschen. In der Provinzhauptstadt Urumqi hätte Ramsauer die Gelegenheit, darüber zu sprechen. Dort will er den Generalsekretär der Kommunistischen Partei treffen. Die Reisen der Minister haben im Übrigen auch weniger heikle Teile. Brüderle fliegt weiter nach Japan - und Ramsauer zuerst in die Mongolei.