Hamburg. Die Freiheit, das ist Schwarz-Rot-Gold, und zwar ohne. Ohne Hammer, Zirkel und Ährenkranz. Einfach Schwarz, Rot und Gold. Wer 1985, eineinhalb Jahre nach einem Ausreiseantrag aus der DDR, die Erlaubnis bekam, den SED-Staat zu verlassen, vergisst das nicht. Und lässt sich von den Farben der Freiheit auch dort für Momente aus dem Alltag reißen, wo sie nicht an einem Fahnenmast hängen (siehe Fotos).

So geht es dem Wahl-Hamburger Egbert Zinner, 50. Der gebürtige Thüringer konnte von seinem Heimatort Schalkau aus die Feste Coburg sehen - drüben, unerreichbar hinter dem Sperrzaun und den Selbstschussanlagen, die nachts manchmal losgingen.

Bald nach Beginn seiner beruflichen Laufbahn setzte man ihm Stopp-Schilder in den Weg, wo immer es ging. Westkontakte an seinem Arbeitsplatz im noblen Ostberliner Palast-Hotel hatten Argwohn erzeugt. Es gab Vorgesetzte, die setzten die Repressionen wortlos um, und andere, die sich im Hinterzimmer persönlich vom Stasi-diktierten Rauswurf distanzierten. Als Zinner schließlich in einem Kliniklabor Reagenzgläser und Urinflaschen ausspülen durfte, wollte er nur noch weg.

Nach anderthalb Jahren voller Ängste, Drohungen und Ungewissheit lag die Postkarte mit der Ausreiseerlaubnis im Briefkasten. Zwei Wochen später saß er in Braunschweig, seiner ersten Station nach der Grenze, auf einer Bank im Bahnhof und fragte zwei Mädels: "Ist hier schon der Westen?" Die Antwort: "Sorry, we don't speak German." Sie schenkten ihm ein 50-Pfennig-Stück.

Zinners Kontakte in die Welt der Musik fingen ihn auf, heute ist er Inhaber einer kleinen Hamburger Künstler-Agentur. Seit bei der Fußball-WM 2006 das deutsche Volk wieder unbeschwert Flagge zeigte, entdeckt er sie auch in ganz anderen, unbeabsichtigten, auch komischen Zusammenhängen. Dann drückt er auf den Auslöser - denn beim Anblick von Schwarz-Rot-Gold erinnert er sich immer daran, dass diese Farben - ohne! - in seinem Leben die ganz persönliche Wende zum Guten markieren.