Koalition fürchtet vor allem Verluste bei Landtagswahlen im kommenden Jahr

Berlin. Die Bundesregierung schiebt die Mehrwertsteuer-Reform auf die lange Bank. "Es gibt eigentlich keine Chance mehr auf eine Umsetzung", hieß es gestern im Regierungsbündnis. Damit bleibt es vorerst beim Wildwuchs der ermäßigten Mehrwertsteuersätze inklusive der Steuersubvention für Hotelbesitzer. Verantwortlich für den sich abzeichnenden Kurswechsel sind der Widerstand in der CSU, die Landtagswahlen 2011 und veränderte Prioritäten im Bundesfinanzministerium.

Statt bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen aufzuräumen, will sich die Koalition nun voll auf die Gemeindefinanzreform konzentrieren, mit der sie nach eigener Einschätzung bei ihren enttäuschten Wählern deutlich mehr Punkte sammeln kann. Offiziell ist die neue Linie noch nicht ausgegeben. So hatte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich noch am Dienstag betont, dass die Koalition über die Mehrwertsteuer-Reform 2011 reden müsse. Zudem ist noch die Einsetzung einer Expertenkommission zu dem Thema geplant.

Hinter den Kulissen rücken die Bundesregierung und die Koalitionsfraktionen allerdings längst von der Reform ab. Ein Grund sei, dass CSU-Chef Horst Seehofer intern sehr deutlich gemacht habe, dass er eine Rücknahme des ermäßigten Satzes von sieben, statt der regulären 19 Prozent für das Hotelgewerbe kategorisch ablehne.

Dass eine Reform der Mehrwertsteuersätze nötig wäre, wird dabei freilich in der Koalition nicht bestritten. Denn keinem Bürger ist zu erklären, warum ein Bund Karotten mit nur sieben Prozent belastet wird, ein Glas Karottensaft aber mit 19 Prozent. Und warum sind beim Maultier sieben Prozent fällig, beim Esel aber 19 Prozent, ebenso beim Buch und beim Hörbuch?