Ex-Finanzminister Steinbrück torpediert Volksentscheid-Vorstoß des SPD-Chefs

Hamburg. Eines kann man Peer Steinbrück dieser Tage sicherlich nicht vorwerfen: mangelndes Engagement. Erst äußert sich der ehemalige Bundesfinanzminister in seinem jüngst veröffentlichten Buch zu den dringendsten Fragen der Bundesrepublik, jetzt sorgt er für Turbulenzen in seiner eigenen Partei - mit einem Konter gegen SPD-Chef Sigmar Gabriel. Dieser hatte zuvor einen Volksentscheid über die Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke gefordert.

In der ARD-Sendung "Beckmann" sagte Steinbrück gestern Abend, er sei zwar ein "Anhänger einer repräsentativen Demokratie", könne sich aber nicht vorstellen, "dass wir in einer 80-Millionen-Gesellschaft nur auf der Basis von Volksentscheiden und Volksbegehren regiert werden können". Abseits der aktuellen Atompolitikdebatte befürwortet Steinbrück grundsätzlich aber "mehr Mitsprachemöglichkeiten" für die Bürger. Die Parteien seien gut beraten, "mehr plebiszitäre Elemente einzuführen", so der SPD-Politiker.

Gabriel hatte zuvor gesagt, dass die SPD dazu bereit sei, das Grundgesetz für einen entsprechenden Volksentscheid zu ändern. "Das würde viel Befriedung in unser Land bringen und vor allem die Politik wieder näher zu den Bürgern", sagte er "Spiegel Online". Er sprach sich grundsätzlich dafür aus, per Verfassung für mehr direkte Demokratie zu sorgen. "Alle vier Jahre zwei Kreuzchen zu machen ist doch nicht der Gipfelpunkt der Volksherrschaft."

Gegenwind bekam Gabriel auch von den Grünen, die ihm "Aktionismus" vorwarfen. Nach der jüngsten Anti-Atom-Demo würden offenbar die Endorphine mit Gabriel durchgehen, sagte Grünen-Chef Cem Özdemir.

"Wir wollen die Laufzeitverlängerungen über den Bundesrat kippen", stellte Özdemir klar. Sollte die Bundesregierung versuchen, die Pläne an der Länderkammer vorbei durchzusetzen, werde seine Partei vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Die SPD sei eingeladen, sich daran zu beteiligen. Dieser Weg sei "erfolgversprechender, als jetzt Aktionismus hier zu erzeugen". Die Bundesregierung wollte sich nicht zu dem Vorstoß äußern. Anfragen seien an die Parlamentsfraktionen zu richten, sagte Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans.