Kompetenzgerangel behindert deutsche Europapolitik

Brüssel. Es sollte ein festlicher Abschiedsempfang an einem lauen Sommertag an der noblen Avenue de Brésil sein. Aber der Gastgeber, Botschafter Edmund Duckwitz, hatte eigentlich keinen Grund zum Feiern. Der Christdemokrat aus Bremen war überraschend und, so berichten jedenfalls Eingeweihte, gegen seinen Willen nach nur knapp drei Jahren als Chef der deutschen EU-Vertretung in Brüssel von Außenminister Guido Westerwelle (FDP) abberufen worden.

Die Angelegenheit hat Brisanz, sie sorgt in Unionskreisen in Berlin und Brüssel bis heute für Ärger. Denn der Nachfolger von Duckwitz heißt Peter Tempel. Er gilt als erfahrener Diplomat, aber die Konservativen halten den ehemaligen Kabinettschef von EU-Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) für einen Sozialdemokraten.

Man kann diese Geschichte für gewöhnliche Diplomaten-Kabale halten. Aber die Dinge sind komplizierter. Während in den EU-Vertretungen der anderen großen Mitgliedstaaten wie Frankreich und Großbritannien alle an einem Strang ziehen zum Wohle des eigenen Landes, beharken sich in der deutschen EU-Botschaft seit Jahren das Kanzleramt und das Auswärtige Amt im Kampf um Pfründe und Macht in der Europapolitik. Ein absurdes Theater, das seit Beginn der schwarz-gelben Koalition eher noch schlimmer geworden ist. Es geht so weit, dass Mitarbeiter des Kanzleramtes in Brüssel Vereinbarungen treffen, von denen die deutschen Beamten in der Ständigen Vertretung lange Zeit nichts wissen.

Hinzu kommt, dass deutsche Botschafter bei wichtigen Verhandlungen häufig viel zu spät sogenannte Weisungen aus Berlin erhalten. Manchmal sitzt der deutsche Botschafter mit leeren Händen am Verhandlungstisch und kann nicht mitstimmen. "German vote", feixen die anderen EU-Diplomaten dann wieder.

Botschafter Tempel hat seine Arbeit mittlerweile aufgenommen. Jetzt konzentriert sich der Ärger von Unionspolitikern auf seinen Stellvertreter, Botschafter Guido Peruzzo, aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Peruzzo ist SPD-Mitglied, dennoch verlängerte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) seine Dienstzeit in Brüssel um ein weiteres Jahr.

"Bei der Besetzung wichtiger Posten sollte das Parteibuch nicht entscheidend sein, sondern in erster Linie die Qualität. Herr Peruzzo hat bisher in Brüssel sehr gute Arbeit geleistet, darum ist es richtig, ihn dort zum Wohle Deutschlands weiterarbeiten zu lassen", verteidigt der EU-Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis (FDP) die Entscheidung Brüderles. Gunther Krichbaum (CDU), Chef des Europaausschusses im Bundestag, sieht das anders: "Ich empfinde es als unglücklich, wenn bei der Besetzung hochrangiger Positionen nicht auf parteipolitische Ausgewogenheit geachtet wird. Die Ständige Vertretung in Brüssel hat eine absolute Schlüsselfunktion." Und was sagt die Kanzlerin? Sie schweigt.