Länder fürchten Einnahmeausfälle durch Atombeschlüsse

Hamburg. In den Ländern wächst der Unmut über das Vorhaben der schwarz-gelben Koalition, die Einnahmen der Brennelementesteuer allein in den Bundeshaushalt fließen zu lassen. In Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz wurde der Ruf nach einem finanziellen Ausgleich laut.

Der rheinland-pfälzische Finanzminister Carsten Kühl (SPD) warf Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, mit der geplanten Atomsteuer den Bundeshaushalt auf Kosten von Ländern und Gemeinden zu sanieren. Weil die Atomwirtschaft die Steuer als Betriebsausgabe absetzen könne, entstünden vor allem bei der Körperschaft- und der Gewerbesteuer Ausfälle von gut 700 Millionen Euro, rechnete der Minister vor. Fast die Hälfte der Summe entfalle auf die Kommunen und rund ein Viertel auf die Länder, sagte Kühl der "Berliner Zeitung". Schäuble müsse mit den Ländern Verhandlungen über einen finanziellen Ausgleich aufnehmen. Denkbar seien zum Beispiel höhere Anteile an der Umsatzsteuer, sagte der SPD-Politiker.

Schleswig-Holsteins Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) äußerte ebenfalls Bedenken. Im Abendblatt kündigte der Minister an, einen Ausgleich für mögliche Mindereinnahmen infolge der Brennelementesteuer zu fordern. Wiegard sagte: "Ich werde auf Bundesebene und unter den Länderfinanzministern dafür Sorge tragen, dass der jetzige Entwurf zur Brennelementesteuer überprüft wird." Schleswig-Holstein werde keinem Gesetzentwurf zustimmen, der zu einer spürbaren Senkung der Einnahmen des Landes führt, betonte der Finanzminister. Er forderte die Koalition auf, nachzubessern: "Wir wollen einen Anteil an neuen Steuern." Geplant ist bislang, dass durch die Brennelementesteuer ab 2011 jährlich rund 2,3 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt fließen. Eine Sprecherin des Umweltministeriums erklärte, der Atomkompromiss solle mit zwei Novellen des Atomgesetzes umgesetzt werden, die nicht der Zustimmung des Bundesrats bedürften.

In Niedersachsen wundert man sich über die Bedenken aus den anderen Ländern. Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) sagte dem Abendblatt: "Es ist nicht sinnvoll, bei der geplanten Brennelementesteuer nur auf die Einnahmen der nächsten ein oder zwei Jahre zu blicken. Die Laufzeitverlängerungen bieten den Ländern und Kommunen im Schnitt zwölf Jahre länger als geplant hohe Steuererlöse." Er könne die Sorgen über mögliche Einnahmeausfälle nicht nachvollziehen, so Möllring. "Die Länder profitieren langfristig erheblich von den längeren Laufzeiten", gab der CDU-Politiker zu bedenken. Man sehe ja an Stade, was passiere, wenn ein Atomkraftwerk abgeschaltet werde. "Die Stadt muss seitdem einen erheblichen Einbruch bei der Gewerbesteuer verkraften."

Unionsfraktionschef Volker Kauder versuchte, erst einmal die Sorgen der Kommunen zu zerstreuen. Diese hatten errechnet, durch die Atombeschlüsse könnten ihnen bei der Gewerbesteuer bis zu 300 Millionen Euro entgehen. "Es wird nicht zu einem Sonderopfer der Kommunen kommen", sagte Kauder. Nach mehreren Bundesländern kündigte unterdessen auch die SPD-Bundestagsfraktion eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die längeren Atomlaufzeiten an.