Merkel spricht Präsident Janukowitsch auch auf Pressefreiheit an

Berlin. Die Ukraine ist ein wichtiges Transitland für russisches Gas auf dem Weg in die EU. Europa bekommt ein Viertel seines Erdgases aus Russland. Somit war das Thema Gasversorgung einer der Schwerpunkte beim Antrittsbesuch des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch in Berlin.

Die deutsche Wirtschaft sei bereit, in die ukrainische Gasinfrastruktur zu investieren, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU). In der Frage russischer Gaslieferungen nach Europa befinde sich die Ukraine in einer wichtigen Schlüsselposition. Doch in den vergangenen Jahren hatte es mehrfach Probleme gegeben, weil die Ukraine ihre Gasrechnungen in Russland nicht rechtzeitig begleichen konnte. Janukowitsch sagte, eine Instabilität beim Gastransport sei in Zukunft ausgeschlossen. Die Ukraine wolle ein verlässlicher Partner für Russland und die EU sein.

Kanzlerin Merkel kündigte zudem engere Wirtschaftsbeziehungen mit der Ukraine an. Beide Seiten machten Interesse an einem Assoziierungsabkommen deutlich. Im Herbst soll es ein deutsch-ukrainisches Wirtschaftsforum geben, bei dem auch die Rechtssicherheit und der Kampf gegen die Korruption abgesprochen werden soll.

Doch auch auf unbequeme Fragen musste Janukowitsch vorbereitet sein. Zuletzt sorgte ein Skandal um den Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew für Misstöne. Ende Juni war der Wissenschaftler Nico Lange wenige Tage nach seiner Kritik an der Politik der Ukraine bei der Einreise stundenlang auf dem Kiewer Flughafen festgehalten worden. Janukowitsch sprach von einem "Missverständnis". Eine Behinderung der Stiftungen wies er ebenso zurück wie die Gängelung von Medien. Kritiker wie "Reporter ohne Grenzen" sprechen von zunehmend autoritären Tendenzen in der Ukraine.

Merkel hob nach dem Treffen mit Janukowitsch hervor, dass die Bundesregierung bei "demokratischen Abläufen, insbesondere der Pressefreiheit und der Meinungsfreiheit" in der Ukraine, Fragen habe. Darüber habe sie mit Janukowitsch "sehr offen" diskutiert. Es sei zudem vereinbart worden, auch künftig "offen und ehrlich" über das Thema zu sprechen.

Janukowitsch selbst bezeichnete die Freiheit der Medien als "sehr sensible" Frage. Er sei aber wie kein Zweiter daran interessiert, dass sich der "Prozess der Demokratisierung" in seinem Land "erfolgreich entwickelt". Nach außen gelte Präsident Janukowitsch immer als Demokrat und Pluralist, sagte Susan Stewart, Ukraine-Expertin der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin, dem Abendblatt. "Doch die Zivilgesellschaft ist in der Ukraine nicht frei von Manipulationen und Drohungen von der Regierung." Nach dem Treffen mit Merkel kam Janukowitsch mit Bundespräsident Christian Wulff und Vertretern der Wirtschaft zusammen.