Saar-FDP fordert Amtsverzicht des Chefs der Bundespartei. Ein neuer Hartz-IV-Vorstoß soll Wende in der Wählergunst bringen

Berlin. Fast wirkt es so, als hätten die Liberalen händeringend nach einem Thema gesucht, mit dem sie nach der Sommerpause punkten können. Und nun haben sie wieder Hartz IV gefunden. Generalsekretär Christian Lindner hatte schon vor Wochen durchblicken lassen, dass er die vom Parteivorsitzenden angestoßene Debatte um die Regelsätze wieder zu beleben gedenke, wenn die Zeit dafür reif sei.

Gestern hielt er die Zeit für reif: Wie Lindner ankündigte, sollen Hartz-IV-Regelleistungen nach den Vorstellungen der Liberalen künftig an den Anstieg der allgemeinen Preisentwicklung gekoppelt werden. Ein solch grundlegend neues System der staatlichen Leistungen für Langzeitarbeitslose könne bis zum Jahresende stehen und im Zuge der vom Bundesverfassungsgericht verlangten Neufestsetzung der Hartz-IV-Leistungen für Kinder geschehen. "Es geht um die Sicherung des Grundbedarfs. Der Grundbedarf verändert sich nicht, ob ich viel oder wenig verdiene, der ist abhängig von den Preisen", erläuterte Lindner die Auffassung seiner Partei. Lindner - nicht Westerwelle.

Der Parteichef spürt derweil Gegenwind aus einzelnen Landesverbänden. Der Generalsekretär der Saar-FDP, Rüdiger Linsler, forderte Westerwelle auf, das Amt als Chef der Bundespartei zur Verfügung zu stellen. "Ich bin der festen Überzeugung, dass dies ein notwendiger Schritt ist", sagte Linsler der "Saarbrücker Zeitung".

Dass Lindner und nicht Westerwelle den Hartz-IV-Vorstoß unternahm, dürfte ganz nach dem Geschmack des hessischen FDP-Landeschefs Jörg-Uwe Hahn gewesen sein, der den Parteivorsitzenden wegen der schlechten Umfrageergebnisse, die die Liberalen durch die Bank nur noch zwischen vier und fünf Prozent sehen, gerade wieder aufgefordert hatte, sich nun ganz aus der Innenpolitik herauszuhalten. "Guido Westerwelle soll das Amt des Außenministers ausfüllen und glaubhaft vertreten", hatte Hahn im "Handelsblatt" gefordert, er solle sich etwa zur Flutkatastrophe in Pakistan äußern, aber nicht zu Themen wie der Sicherungsverwahrung. Hahn wird parteiintern nachgesagt, sich mit solchen Äußerungen vor allem selbst als Kandidat für den FDP-Vizevorsitz in Stellung bringen zu wollen. Er inszeniere sich bewusst als Westerwelle-Kritiker, um beim Parteitag im Mai möglichst viele Stimmen Unzufriedener auf sich vereinen zu können.

Einem anderen Westerwelle-Kritiker geht das inzwischen zu weit. "Es steht dem Kollegen Hahn eigentlich nicht zu, den Parteivorsitzenden aufzufordern, sich zu bestimmten Themen nicht zu äußern. Die Probleme, die die FDP in Deutschland derzeit hat, sind außerdem nicht allein auf Guido Westerwelle zurückzuführen. Wer das annimmt, der irrt", sagte Schleswig-Holsteins FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki dem Abendblatt. Er bekräftigte: "Ich kann die Frustration von Hahn verstehen, aber die wöchentlich wiederkehrende Kritik an Guido Westerwelle führt zu nichts." Der Parteivorsitzende selbst hatte zuvor dargelegt, dass er keinen Anlass für Kurskorrekturen sieht.

Westerwelle will sich im September in vier großen Regionalkonferenzen der Kritik der Mitglieder stellen. Er sieht nicht seine Performance, sondern die unpopulären Entscheidungen der Regierung etwa beim Sparpaket oder beim Euro-Rettungsschirm als Gründe für das Meinungstief.

Doch viel Zeit bleibt ihm nach herrschender Lesart in der FDP-Bundestagsfraktion nicht mehr. Sollten die Liberalen bei der für März 2011 geplanten Landtagswahl in Baden-Württemberg - in Deutschlands FDP-Herzkammer - scheitern, dann werde es in der Personaldebatte beim folgenden Bundesparteitag im Mai wohl nicht nur um die Neubesetzung von Stellvertreterposten gehen, heißt es.