Den Sieg beanspruchen sowohl Regierung als auch Opposition

Sydney. Erstmals seit 70 Jahren hat eine Parlamentswahl in Australien den Parteien ein Patt beschert: Weder die regierende Labor Party von Premierministerin Julia Gillard noch das nationalliberale Bündnis von Tony Abbott konnten sich am Sonnabend die Mehrheit sichern.

Australien hat ein Zwei-Kammer-Parlament nach britischem Vorbild. Die Partei mit der absoluten Mehrheit von 76 Sitzen im Repräsentantenhaus bestimmt den Regierungschef. Nach Prognosen erreichten allerdings sowohl Labor als auch die Opposition nur jeweils 73 Sitze. Drei Mandate gingen an unabhängige Kandidaten, ein weiteres an die Grünen. Regierungschefin Gillard, die den Posten erst vor zwei Monaten nach dem parteiinternen Sturz ihres Vorgängers Kevin Rudd übernommen hatte, erhob den Anspruch, mit ihrer Labor Party an der Macht zu bleiben. "Ich habe die Absicht, ein Abkommen zu erzielen, um eine Regierung bilden zu können", sagte sie.

Das Wahlergebnis zeige, dass sich die Bevölkerung einen Regierungswechsel wünsche, sagte hingegen der konservative Oppositionskandidat Abbott. Es gebe derzeit einen "brutalen Stimmungsumschwung zuungunsten der Regierung". So etwas habe es nach weniger als drei Jahren Amtszeit noch nie gegeben. Die Konservativen waren 2007 nach elf Jahren an der Spitze der Regierung von der Labor Party von der Macht verdrängt worden. Gillard und Abbott nahmen unverzüglich Gespräche mit den bisher unwichtigen Parteilosen und den Grünen auf.

Insgesamt waren rund 14 Millionen Menschen aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Bis das endgültige Ergebnis feststeht, kann es noch dauern: Die Wahlkommission muss 13 Tage lang warten, ob noch Voten von Briefwählern eingehen. In dem 22-Millionen-Einwohner-Land besteht für alle Bürger ab 18 Jahren Wahlpflicht. Einige Experten rechneten mit einer Neuwahl bereits im nächsten Jahr.