Parteispitze steht hinter Ernst, Gysi fordert Rücktritt des Kritikers

Berlin. Die Grabenkämpfe im bayerischen Landesverband der Linkspartei um Mitgliederkartei und Parteitagsmehrheiten haben auf die Bundesebene übergegriffen. Gestern sah sich die Parteispitze genötigt, ihren Bundesvorsitzenden Klaus Ernst zu verteidigen. Es sei "nicht neu, dass wir bei der Mitgliederzahl ein paar Probleme haben", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, im Deutschlandfunk. In der "rasant wachsenden Partei" habe das Thema angesichts zahlreicher Wahlen im vergangenen Jahr eben "nicht oben auf der Agenda" gestanden. Es sei allerdings absurd, Ernst die falschen Mitgliederzahlen anzulasten.

Fraktionschef Gregor Gysi nahm Ernst ebenfalls in Schutz. Er bezeichnete die Vorwürfe gegen den Parteifreund in der "Passauer Neuen Presse" als "absurden Unsinn". "Diese Art der Denunziation dürfen wir uns nicht länger bieten lassen", sagte Gysi. "Wenn es in unserem bayerischen Landesverband sogenannte Karteileichen gibt, liegt das in erster Linie in der Verantwortung des bayerischen Landesschatzmeisters." Der heiße Ulrich Voß, und der solle "jetzt die Konsequenzen ziehen und zurücktreten".

Voß, der erst seit April im Amt ist und Ernst vorgeworfen hatte, seine Leute hätten die Mitgliederzahlen im Landesverband manipuliert und ihm dadurch möglicherweise den Weg an die Parteispitze geebnet zu haben - er hatte von "schwersten Regel- und Satzungsbrüchen" gesprochen -, wies die Rücktrittsforderung mit den Worten zurück, er sehe keinen Grund zurückzutreten. "Die Probleme, die ich aufgezeigt habe, müssen geklärt werden", sagte Voß.

Ein Ende der Schlammschlacht ist also nicht in Sicht. Inzwischen werden schwere Vorwürfe gegen Voß erhoben: Der Landesschatzmeister habe in den Jahren 2008 und 2009 keine Beiträge an die Partei abgeführt, wurde aus dem Berliner Karl-Liebknecht-Haus gestreut. Ulrich Voß hielt dem entgegen, er habe bereits zu Jahresbeginn 2010 "eine größere Summe" an Mitgliedsbeiträgen für die zurückliegenden Jahre nachgezahlt.

Es war nicht das Einzige, was aus dem heillos zerstrittenen bayerischen Landesverband "durchgestochen" wurde. In einem Schreiben an Voß, das dem Abendblatt vorliegt, hat der Landesfinanzrat der Linken den Landesschatzmeister bereits am 10. August aufgefordert, seinen Amtspflichten gerecht zu werden. Die Kreisschatzmeister verlangten von Voß, die monatlichen Abschlagszahlungen des Landesverbands an die Kreisverbände "zu zwei Dritteln der Beitragsanteile" zu leisten. Aus Parteikreisen hieß es dazu erklärend, diese Aufforderung des Landesfinanzrats lasse auf Probleme beim Geldfluss zwischen dem Landesverband und den Kreisverbänden schließen. Zudem formulierten die Genossen bereits eine indirekte Rücktrittsforderung. Wörtlich hieß es in ihrem Schreiben: "Der Landesfinanzrat fordert den Landesschatzmeister auf, seinen satzungsgemäßen Aufgaben umgehend nachzukommen. Sollte ihm dies nicht möglich sein, fordert der Landesfinanzrat ihn auf zurückzutreten."

Erst nachdem er diesen Brief "mit solidarischen Grüßen" per E-Mail erhalten hatte, hat Ulrich Voß die mögliche Manipulation von Mitgliederzahlen zugunsten des Parteichefs Ernst öffentlich gemacht.