Nach Plänen Guttenbergs könnte die Bundeswehr de facto zu einer Freiwilligenarmee werden

Berlin. Die Bundeswehr soll übereinstimmenden Medienberichten zufolge ihre Truppenstärke noch einmal deutlich reduzieren und künftig ausschließlich aus freiwillig dienstleistenden Soldaten bestehen. Diese Variante favorisiert demnach Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit Blick auf die geplante Strukturreform der Streitkräfte.

Nach Berichten von "Süddeutscher Zeitung" und Deutschlandfunk soll die Zahl der Zeit- und Berufssoldaten von derzeit 195 000 auf 156 000 sinken. Die Wehrpflicht solle formal erhalten bleiben, doch sollten nur solche Rekruten eingezogen werden, die sich freiwillig zum Militärdienst bereit erklären. Die Planer rechnen mit 7500 Freiwilligen pro Jahr. Zusammen mit einigen anderen Stellen, etwa bei der Flugbereitschaft oder bei der Sportförderung, käme die Bundeswehr den Angaben zufolge auf eine Gesamtstärke von 165 000 bis 170 000 Soldaten.

Die "SZ" berief sich auf Angaben aus Regierungskreisen. Demnach signalisierten auch Militärexperten der Koalition Zustimmung zu dem Vorhaben. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums wollte die Berichte jedoch nicht kommentieren. Er verwies auf die für September von Guttenberg angekündigte Veröffentlichung der verschiedenen Szenarien, die derzeit von der Reformkommission der Bundeswehr erarbeitet werden.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sagte der "Berliner Zeitung", zwar sei es im guten Sinne konservativ, Bewährtes wertzuschätzen und eine tief greifende Veränderung unter hohen Rechtfertigungsdruck zu setzen. "Das kann am Ende aber auch bedeuten, dass man zu der Überzeugung kommt: Ja, wir müssen hier etwas verändern", sagte Gröhe weiter. "Da gibt es kein Denkverbot", fügte er hinzu. Vor einer Entscheidung über die Wehrpflicht müsse darüber in der Partei diskutiert werden.

Für grundlegende Änderungen bei der Wehrpflicht warb auch der Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch. "Die Bundeswehr muss schnell, flexibel und beweglich sein - und vor allem professioneller als jetzt", sagte er der "Mitteldeutschen Zeitung" vom Freitag. "Da wird man es sich nicht mehr leisten können, ein Drittel der Zeit- und Berufssoldaten zu binden, um Wehrpflichtige auszubilden und zu beschäftigen." Kirsch forderte zugleich ein Programm im Volumen von einer Milliarde Euro, um die Bundeswehr für die Soldaten attraktiver zu machen.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier begrüßte die angeblichen Pläne Guttenbergs. "Der Verteidigungsminister übernimmt einen Plan, den die SPD entworfen hat", sagte er der "Bild"-Zeitung. Allerdings sei fraglich, ob Guttenberg die Kraft habe, sein Vorhaben in den eigenen Reihen durchzusetzen.

Der FDP-Haushaltsexperte Jürgen Koppelin erklärte allerdings, dass die bisherigen Veröffentlichungen nur auf Vermutungen beruhten. Auch er verwies auf die noch ausstehenden Beratungen in der Koalition.

Bundespräsident Christian Wulff hat unterdessen vor zu großen Einsparungen bei der Bundeswehr gewarnt. Die Soldaten müssten sich darauf verlassen können, "dass die Streitkräfte auch künftig das erhalten, was sie zu einer erfolgreichen Erfüllung ihrer Aufträge benötigen", sagte er am Freitag in Flensburg. Wulff sprach bei der Vereidigung von 250 Marine-Offiziersanwärtern in der Marineschule Mürwik. (HA)