Saarlands Ministerpräsident Peter Müller ist für mehr “CDU pur“ und weist den Merkel-Kritiker Horst Seehofer (CSU) in die Schranken

Berlin. Nervös geworden durch die konstant schlechten Umfragen, streitet die Union weiter um ihre politische Ausrichtung. Gestern wies der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) seinen bayerischen Amtskollegen Horst Seehofer in die Schranken. "Wir können uns in einer Gesellschaft, die sich ändert, nicht auf den Status quo zurückziehen", sagte Müller dem "Stern". "Wer sagt, wir wollen allein die Menschen halten, die uns immer schon gewählt haben, führt uns in eine Sackgasse."

Seehofer hatte der Union empfohlen, mehr auf die konservativen Stammwähler zuzugehen, und den "Modernisierungskurs" der Parteivorsitzenden Angela Merkel für die gegenwärtige Lage verantwortlich gemacht. Allerdings sorgt sich Müller sehr wohl um den Status der Union "als letzte verbleibende Volkspartei". Die jüngsten Wahlergebnisse der Union seien "alles andere als zufriedenstellend" gewesen. Müller kündigte an, mehr "CDU pur" bei Themen wie dem Schutz des Lebens und dem Bekenntnis zu Heimat und Nation wagen zu wollen. Er halte es für richtig, "dass die deutsche Sprache ins Grundgesetz aufgenommen wird". Müller will sich für ein "begabungsgerechtes Bildungssystem" einsetzen. Die Union müsse "Garant des Gymnasiums sein".

Auch der Bewerber um das Amt des CDU-Vorsitzes in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, wünscht sich von seiner Partei mehr Rückbesinnung auf ihre Werte. "Unsere Politik muss wieder stärker aus unseren Grundwerten abgeleitet werden. Das ist in den vergangenen Monaten oft verloren gegangen, weil man vieles einfach als alternativlos dargestellt hat", sagte Laschet der Online-Ausgabe der "Zeit". "Solche grundsätzliche Orientierung würde ich mir wieder stärker wünschen." Das gelte sowohl für die CDU in Nordrhein-Westfalen als auch im Bund.

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach, der auch dem Arbeitskreis engagierter Katholiken angehört, sieht das genauso. Viele Unionswähler fragten sich inzwischen, was die Partei von der Konkurrenz unterscheide, sagte Bosbach dem Hamburger Abendblatt. In der Union gebe es zu wichtigen Themen wie der Zukunft der Wehrpflicht, der Verlängerung der AKW-Laufzeiten, dem Erziehungsgeld oder einer weiteren Öffnung des Arbeitsmarkts für ausländische Arbeitnehmer völlig unterschiedliche Meinungen. "Der eine hält das für modern, weil wir damit unser Angebot vergrößern, der andere sagt: ,Jetzt wissen die Leute gar nicht mehr, wofür die Union eigentlich steht.'"

Bosbach sieht in dieser Unverbindlichkeit die Ursache dafür, dass die Zahl der resignierten Wähler weiter wächst. "Bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl sind 300 000 Unionswähler ins Lager der Nichtwähler abgewandert. Damit hat sich der Trend der Bundestagswahl fortgesetzt, und den müssen wir bei den kommenden Landtagswahlen stoppen." Bosbach fügte hinzu, es sei nichts dagegen zu sagen, wenn eine Volkspartei pluralistisch diskutiere. "Aber irgendwann muss man zu einem Ergebnis kommen, das alle mittragen."

In der jüngsten Forsa-Umfrage für "Stern" und RTL ist die Union im Vergleich zur Vorwoche um einen Punkt abgerutscht und damit in der Wählergunst zum zweiten Mal in diesem Jahr auf 29 Prozent gefallen - den schlechtesten Wert seit November 2006. Mit Blick auf die Legislatur wäre das für CDU und CSU noch kein Grund zur Beunruhigung - die endet erst 2013 -, aber im nächsten Jahr finden sechs Landtagswahlen statt. Die wichtigsten, in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt, stehen im März an. In beiden Ländern stellt die Union die Ministerpräsidenten. Noch. Dass in Berlin inzwischen - wenn auch spielerisch - darüber nachgedacht wird, welcher Unionspolitiker das Zeug dazu hätte, Angela Merkel zu beerben, wird der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden nicht entgangen sein.