Bei der laufenden Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze geht es nicht um mehr Geld, sondern vor allem um mehr Transparenz

Hamburg. Der Streit um die künftige Höhe der Hartz-IV-Sätze reißt nicht ab. Während die Vorsitzende der Links-Partei, Gesine Lötzsch, gestern im "Deutschlandfunk" eine Anhebung der Leistungen von derzeit 359 Euro auf 500 Euro forderte, erteilte Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) einer zu kräftigen Erhöhung eine Absage. "Arbeit muss sich ganz persönlich wirklich lohnen", sagte Westerwelle mit Blick auf das Lohnabstandsgebot, nach dem Menschen, die arbeiten, mehr Einkommen haben sollen als Empfänger staatlicher Leistungen.

Der Vorstoß der Linken zählt bislang zu den höchsten Forderungen in der aktuellen Debatte. Die Bundesregierung muss die Hartz-IV-Sätze bis Ende des Jahres neu regeln, hat das Bundesverfassungsgericht im Februar entschieden. Diskutiert wird deshalb, ob mit der Neuregelung auch eine Erhöhung einhergeht. Sozialverbände, die Linke und auch die SPD haben sich für diese Variante ausgesprochen. Widerstand formiert sich hingegen in Union und FDP. Fakt jedoch ist: Die Karlsruher Richter haben in ihrem Urteil nicht die Höhe des Hartz-IV-Regelsatzes bemängelt, sondern nur die Art, wie dieser berechnet wird. Vor allem sei nicht genug Transparenz und Nachvollziehbarkeit gegeben, lautete die Begründung.

Grundlage der Regelsätze ist nach wie vor die sogenannte Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes. Sie untersucht, wie viel Geld die Haushalte zum Leben brauchen. Dabei werden sowohl wesentliche Elemente wie Nahrung und Kleidung miteinbezogen als auch Ausgaben für die "soziokulturelle" Teilhabe an der Gesellschaft wie Kino- oder Theaterbesuche. Die einkommensschwächsten 20 Prozent dieser Stichprobe dienen dann als Referenz für die Justierung der Hartz-IV-Sätze. So ist in der Regelsatzverordnung beispielsweise festgelegt, dass die Ausgaben der einkommensschwächsten Haushalte für Essen, Trinken und Tabakwaren zu 96 Prozent auch für Hartz-IV-Empfänger gelten müssen, damit ein "menschenwürdiges Existenzminimum" gewährleistet werden kann. Warum nur zu 96 Prozent? "Ausgaben für Tabakwaren werden nur zur Hälfte berücksichtigt", so die Erklärung des Gesetzgebers. Weniger klar sind jedoch beispielsweise die Ausgaben für die Gesundheitspflege. Hier gilt für Hartz-IV-Empfänger ein regelsatzrelevanter Anteil von nur 71 Prozent - eine Zahl, die sachlich nur schwer nachzuvollziehen ist.

Noch virulenter ist dieses Problem allerdings bei den Sätzen für Kinder, die sich je nach Lebensalter am Erwachsenenanteil orientieren. Bei einem Alter unter sechs Jahren stehen Kindern demnach 215 Euro zu, bis 14 Jahren 251 Euro und danach bis zur Volljährigkeit 287 Euro. Warum also ein siebenjähriges Kind 36 Euro mehr im Monat verbrauchen darf als ein sechsjähriges, soll nicht nur überprüft, sondern nach dem Urteil der Karlsruher in Zukunft vor allem transparent begründet werden.

Die Bundesregierung hat dafür eine ganze Reihe von Experten beauftragt, die an der Neuberechnung der Sätze arbeiten. Ob die 6,8 Millionen Hartz-IV-Empfänger in Deutschland künftig mehr Geld bekommen, ist jedoch erst dann abzuschätzen, wenn die aktuelle Einkommens- und Verbrauchsstichprobe abgeschlossen ist - denn sie soll die Grundlage für die künftigen Leistungen sein. Die Ergebnisse liegen allerdings noch nicht vollständig vor. Sowohl von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als auch aus Expertenkreisen werden die genannten Ziffern um die neuen Hartz-IV-Sätze deshalb als Spekulationen zurückgewiesen.