Auch Begabtenförderungswerke müssen mit Kürzungen rechnen

Berlin. Deutschlands Studenten haben sich möglicherweise zu früh gefreut. Das vor gut zwei Wochen vom Bundesrat verabschiedete nationale Stipendienprogramm wird vermutlich deutlich kleiner ausfallen als bisher angekündigt. Dies geht aus einem Brief des Bundesforschungsministeriums an den SPD-Haushaltsexperten Klaus Hagemann hervor.

Demnach plant das Ministerium lediglich einen "nachhaltigen sukzessiven Aufbau" der Förderung. Laut Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sollen bis 2013 jährlich nur 0,3 Prozent der insgesamt zwei Millionen Studenten neu in das Programm aufgenommen werden. Dies seien 6000 Studenten pro Jahr, so das Forschungsministerium. Ursprünglich sollten mit dem Programm bis 2013 insgesamt 160 000 Studenten mit monatlich 300 Euro gefördert werden - unabhängig vom Einkommen der Eltern. Das entspricht einer Quote von acht Prozent.

Das Stipendienprogramm gilt als Prestigeobjekt der FDP in der Koalition und wurde gegen erhebliche Bedenken auch unionsgeführter Bundesländer durchgesetzt. Um sein Scheitern zu verhindern, hatte sich Berlin bereit erklärt, auch den Kostenanteil der Länder zu übernehmen. Trotz dieser Zusage sind im Haushalt 2011 lediglich zehn Millionen Euro für die Stipendien vorgesehen, bis 2013 sollen jeweils weitere zehn Millionen Euro hinzukommen.

Aus der Opposition kommt heftige Kritik an dem Rückzieher der Bildungsministerin. "Erst boxt Schavan ihr Prestigeprojekt mit windigen Finanzzusagen durch den Bundesrat, jetzt kassiert sie kleinlaut Kernziele ihres Stipendienmurks", sagte Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, dem Hamburger Abendblatt. Die Regierung solle das Projekt endlich aufgeben und die Mittel lieber in einen Ausbau der BAföG-Förderung investieren, so der Grünen-Politiker. Dies wäre auch in den Augen von SPD-Bildungsexperte Dr. Ernst Dieter Rossmann gerechter und wirksamer. "Schavan hat den Mund zu voll genommen. Es war ein Fehler, zu glauben, man könne mithilfe des nationalen Stipendienprogramms die Studienneigung verstärken", sagte Rossmann dem Abendblatt. Dies sei nur mit einer Erhöhung der BAföG-Sätze und einem Ausbau der öffentlich geförderten Stipendien in den Begabtenförderungswerken möglich.

Doch gerade die zwölf vom Bund geförderten Studienstiftungen könnten die Leidtragenden der Kürzungen sein. Laut dem Schreiben des Forschungsministeriums sollen die Zuschüsse des Bundes an die Förderungswerke um rund 60 Millionen Euro gekürzt werden. SPD-Haushaltsexperte Hagemann warnte bereits vor der Gefahr einer Klassengesellschaft unter Stipendiaten. Mitglieder der Begabtenförderungswerke wären demnach nur noch Stipendiaten zweiter Klasse, sagte Hagemann.

Auch die Stiftungen selber zeigten kein Verständnis für die Pläne des Bildungsministeriums. "Alle Stipendiaten in Deutschland sollten gleichbehandelt werden", sagte die Leiterin der Abteilung Studienförderung in der Friedrich-Ebert-Stiftung, Beate Bartoldus, dem Abendblatt. Eine Reduzierung der Fördermittel würde einen ziemlichen Einschnitt für die Stiftung bedeuten. Auch der stellvertretende Generalsekretär der Stiftung der Deutschen Wirtschaft, Dr. Arndt Schnöring, warnte davor, das Stipendienprogramm zulasten der Begabtenförderungswerke durchzusetzen. Das Büchergeld für Stipendiaten der Begabtenförderungswerke müsse wie im Koalitionsvertrag vorgesehen auf 300 Euro erhöht werden.